Lakecia Benjamin Phoenix | 20.10.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Selten ist der Birdland Jazzclub so rappelvoll bis auf den letzten Stehplatz wie an diesem Abend. Liegt’s an Lakecia Benjamin, die gerne im Out­fit des Paradiesvogels auf der Bühne steht? Das Auge hört schließlich auch mit. Liegt’s daran, dass sie dafür bekannt ist, sich in der Rolle der Verfechterin für Frauenrechte, als Kämpferin gegen Ras­sendiskriminierung, der Ruferin nach globalem Frieden Gehör zu verschaffen? Oder doch eher daran, dass sie so un­heimlich gut mit dem Altsaxofon umge­hen kann?

Die Erwartungen sind groß, das Publi­kum ist neugierig, der Bayerische Rund­funk ist vor Ort und schneidet das Kon­zert für das 13. Birdland Radio Jazz Fes­tival mit, die Voraussetzungen sind also optimal für einen außergewöhnlichen Abend. Und ein solcher wird es denn auch. Zuerst kommt ein Urschrei von der Bühne. Vermutlich, um die Spannung zu lösen. Dann folgt „Amerikkan Skin“ vom aktuellen Album, das wie ihre Band „Phoenix“ heißt, gewidmet der Aktivis­tin Angela Davis, inklusive einer Rap-Se­quenz, die schließlich in der Zeile „Peace All Over The Planet“ endet. Hier ist Benjamin durchaus politisch, Bot­schafterin für Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit und in guter Gesellschaft mit Vertretern von „Black Lives Matter“ und Kämpferinnen für „The Women’s Rights“.

Überraschenderweise verfolgt sie diese Spur anschließend nicht konsequent wei­ter. Ihr Zorn und ihre Unzufriedenheit bringt sie jetzt eher durch ihre Spielwei­se zum Ausdruck. Geprägt von einer Un­zahl von Trillern, kann man sie nur als „extrovertiert“, vielleicht sogar als „ex­plosiv“ bezeichnen. Ab und an überstür­zen sich geradezu die akustischen Ereig­nisse, wird ihre Energie fast körperlich spürbar. Ihre exzellente Band mit Zaccia Curtis am Flügel, Ivan Taylor am Kon­trabass und Enoch „EJ“ Strickland am Schlagzeug bietet ihr je nach Bedarf eine absolut verlässliche Basis auf swingen­der wie auch auf funky groovender Ebe­ne, auf der sie sich nach Herzenslust aus­toben kann. Eine wunderschöne So­lo-Übernahme des alten Hymnus „Going Home“ zeigt, dass sie auch mal kurz in­nehalten kann, im Mittelpunkt aber ste­hen das kraftvoll dahin surrende „Jubila­tion“, in dessen Verlauf Curtis der gran­diosen Patrice Rushen von der Album­version folgt, und John Coltrane’s „A Love Supreme“. Wenn ein Stück wie dieses von einer Band auf derart hohem Energielevel erst mal ins Rollen gebracht wird, gibt es nur noch schwerlich ein Halten.

Was Benjamin und die Band an diesem Abend bieten, ist musikalisch absolut überzeugend. Natürlich merkt man, dass Entertainment und Show für sie unbe­dingt mit zum Image gehören, Teil ihrer Bühnenpersönlichkeit sind, Teil ihres Rollenverständnisses. Insofern ist der Abend Konzert und zugleich Fest, an dem aber auch das aufgeschlossene Au­ditorium seinen Anteil hat. Ganz beson­ders, weil Lakecia Benjamin persönlich einen Grund zu feiern hat. Sie hat heute Ge­burtstag. Das Publikum, das das spitz ge­kriegt hat, singt für sie spontan, viel­stimmig und aus voller Kehle ein herzli­ches „Happy Birthday“. Eine schöne Geste. Im Gegenzug verweigert sie jed­wede Zugabe. Keine schöne Geste.

Nachzuhören ist das Konzert am Frei­tag, 15. Dezember, ab 23.05 Uhr in der „Jazztime“ auf BR4 Klassik und an­schließend eine Woche lang in der BR-Mediathek.