Lajos Dudas Trio | 09.01.1998

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Ein Mann, zwei Worte: „Ich spiele!“ Lajos Dudas muß es Überwindung gekostet haben, trotz einer schweren Erkältung auf die Bühne zu steigen. Woanders hätte er möglicherweise das Handtuch geworfen. Den Gig im Neuburger „Birdland“-Jazzclub will der Ungar aber unbedingt durchziehen. Es gibt schon viel zuviel Alltägliches, selbst im Leben eines gefeierten Klarinettisten, Pädagogen und Innovators, als daß es sich tatsächlich lohnt, auf die wirklich raren, außergewöhnlichen Momente zu verzichten.

Zumal der 56jährige, seit 1973 in Neuss lebende Virtuose um des spontanen Augenblicks wegen Tourneen meidet und sich nur auf ganz wenige Auftritte im Jahr beschränkt. Er zelebriert diese Events jedesmal, er bereitet sich gewissenhaft darauf vor, stellt allerhöchste Ansprüche an sich, seine Mitmusiker, aber auch das Publikum, das den Hofapothekenkeller überraschend bis fast auf den letzten Platz gefüllt hat, er zweifelt, zaudert, zickt und fiebert. Und dann auch noch dieser malade Beigeschmack; alles läuft verquer, fernab jeglicher Routine. Es frißt ihn förmlich auf, hat aber auch sein Gutes. Denn für Dudas, soviel steht nach seinem Konzert in Neuburg fest, muß es einfach so sein, um live an die absolute Grenze seiner brillanten Fähigkeiten zu gelangen.

Profi bleibt Profi, selbst im Extremen. Er, der Techniker, Perfektionist und Ästhet, stellt sich und erklimmt gleich mit dem ersten Stück „Meet“ das höchste Hindernis, das einem die schwer zu blasende Klarinette überhaupt aufbauen kann. Mit seinem erhabenen, allzeit sprungbereiten, vollreifen, lyrischen, dunklen, charismatischen Ton erzählt der inoffizielle Europameister am schwarzen Horn verblüffend leicht eine in sich schlüssige, sich ständig erhöhende Geschichte voller farbiger Pointen. Leichtfüßig, fast tänzerisch, ohne auffälliges Vibrato mixt er Bopnuancen, Latin-Rhythmen, ein bißchen slawische Sentimentalität mit moderner Klassik und Avantgarde.

Dennoch will Lajos Dudas heute keine Stirnrunzler sehen. Der ausgewiesene Provokateur sowie seine beiden kongenialen Partner Philipp van Endert an der Gitarre (variabel mit Tendenz zu kühlen, rocklastigen Kontrapunkten) und Kurt Bilker am Schlagzeug (mehr Melodiker denn Timekeeper) gastieren nun mal in einem Jazzclub. Dort swingt „At Carmelo`s“ eben lässig-anregend, da träufelt „Soft Waves“ einfühlsam herab, während sich das Trio bei „Bretsky“ spontan auf eine verständliche Sprache irgendwo zwischen Blues und bartók`scher Volksmusik einigt. Miles Davis` „Solar“ ist ein weiteres Freundschaftsangebot und „Tangogo“, ein völlig gegen den Strich gebürsteter Tango, das unerwartet lustvolle Highlight eines hinreißenden Abends.

Es hat sich gelohnt: nach zwei frenetisch erklatschten Zugaben („Back To L.A.“, „Reni`s Ballad“) staunt jeder über die erfrischend unkonventionelle, aber doch nah am Publikum ausgerichtete Performance. Und Lajos Dudas ist nach der überwältigenden Resonanz glücklich und schlagartig gesund. Eine fast vorhersehbare Genesung.