Kyoto | 04.04.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Kyoto ist der Moment, wenn der Fluss sich im Frühling vom Eis befreit; Kirschblüten schweben auf schwarz reißendem Wasser.“ Johannes Enders, John Locke, Ed Howard und Christian Salfellner läuteten mit ihrem gemeinsamen Projekt „Kyoto“ den Frühling ein im Neuburger Birdland Jazzclub.

Zwei Wochen zuvor war Regionalmatador Wolfgang Lackerschmid am Vibraphon zu hören, und so drängt sich der Vergleich förmlich auf: Joe Locke pflegt einen eher trockenen Sound, der die perkussiven Elemente des Vibraphon stärker betont als die schwebende Qualität des Klangs. Mit sparsam dosiertem Pedaleinsatz fliegt er schnörkellos und direkt im Hummelflug über die Klangstäbe. Er habe von seinen New Yorker Kollegen schon so viel gehört von diesem Club in Neuburg an der Donau, dass es ihn besonders freue, endlich hier zu spielen, bekennt Locke und legt sich entsprechend engagiert ins Zeug, im einen oder anderen Moment leider auch auf Kosten der Präsenz seiner Mitspieler. Dabei haben die nicht Minderes zu bieten, allen voran Co-Leader Johannes Enders. Der Monolith aus Weilheim, der sich bei Bands wie NoTwist so wohl fühlt wie am heimischen Computer, erweist sich einmal mehr im angestammten akustischen Terrain als einer der besten seines Faches. Sein Tenorhorn hat – unabhängig vom Kontext – längst zum eigenen Sound und zur individuellen Formensprache gefunden. Wie Strudel entwickeln sich seine Soli mit unmittelbar zupackendem Ansatz in unwiderstehlichem Sog zur Mitte. Christian Salfellner an den Drums überzeugt mit stilistischer Empathie und gefühlvollem Sinn für die Öonomie des Augenblicks und Ed Howard steht seinen Mann am Bass mit sorgsam geformten Ton und einem ausgemachten Sinn für Melodiosität.
Kyoto stehe dafür, dass die Gegensätze sich zur Schönheit vereinen statt sich zur gewaltsamen Auseinandersetzung zu entzweien, meint Locke. Im Jazz gehe es gerade darum, aus den Gegensätzen Schönheit zu erzielen: Die „Coindidence“ der Pole, „Kyoto“ im „Winter“ und der Wunsch nach „Peace“ in unfriedlichen Zeiten.