Klaus Doldinger New York Quintet | 21.11.1999

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Klaus Doldinger – der Name zieht, immer noch. Im ausverkauften Birdland Jazzclub lieferte der wohl erfolgreichste deutsche Jazzmusiker – das ist er unter anderem auch – im Rahmen einer Kurztour seine Visitenkarte ab.

Wenn einer schon vor dem ersten Ton seines Konzerts von den magischen Momenten erzählt, die es bei der Aufnahme der vorzustellenden CD im Studio gegeben habe, wie von Beginn an alles gepaßt und wirklich tolle Musik in der Luft gelegen habe, dann weckt er natürlich eine Menge Erwartungen in seiner Zuhörerschaft. Diese einzulösen gelang Doldinger mit seiner handverlesenen Band nicht auf Anhieb. „Blind Date“, Titelstück der CD und Opener des Konzerts steigt mit einer Sololinie am Tenorsaxophon des Meisters selbst ein, die Nervosität ist bei allem zur Schau getragenen Selbstbewußtsein spürbar. Erst als die Band mit einsteigt, löst sich die Anspannung. Stefon Harris spielt das Vibraphon mit Lust am Unerwarteten. Seine relativ trockene Klangästhetik konzentriert sich auf die Melodieführung. Harris läßt die Töne in den Raum tropfen, verdichtet sie zu Linien, erzeugt in „East River Drive“ wahre Klangflächen, immer wieder von perkussiven Strukturen durchzogen und meisterhaft stabilisiert. Den Sinn für´s Wesentliche besitzt auch Kevin Hays am Piano. Allein ihm zuzuhören hätte einen weiten Weg gelohnt. Jedem Anflug großspuriger Geschwätzigkeit setzt er Fingerspitzengefühl entgegen, leise Harmonien, atmende Pausen und – zuweilen mit der Hand im Klavierkörper – gedämpfte Anschläge. Hays erhebt die Sparsamkeit der Mittel zur Tugend, reduziert seine Aussage auf das, was diesseits des Populismus liegt und erläutert leise, worauf es ankommt. Besondere Faszination ergibt sich im Zwiegespräch mit Ira Coleman am Bass, der nicht nur solide, korrekt und mit exakter Grundlinienarbeit zu überzeugen weiß, sondern in seinen feingliedrigen Figuren auch kreativ-sensible Energie in das rhythmische und harmonische Geschehen einbringt: „Friendship“. „Stop and go“ beginnt mit einem Schlagzeugsolo von Don Alias, das harte grollende Schwere in den Keller hinein entlädt wie ein Gewitter im November, entpuppt sich letztendlich als ein leicht swingendes Stück, das die rhythmischen Elemente eher im Zaum hält als sie in Freiheit zu entlassen. „What´s new?“ bleibt da als Frage stehen, eine echte Antwort ergibt sich erst fast zum Schluß des Konzerts: Die verbal viel beschworenen magischen Momente kommen auf im Zusammenspiel des Percussionisten (!) Don Alias mit einem hingetupften Piano, leisen Basslinien und einem Klaus Doldinger, der sein Saxophon für das schöne Stück „Er blies bloß Blues“ mit einer exotisch-archaischen Holzflöte tauscht. Dann nimmt Don Alias das Heft in die Hand, und plötzlich ist der Zauber da, hervorgespült unter dem bis dahin immer wieder angestrengt wirkenden Versuch, eine allen gemeinsame Basis zu finden. Manchmal belohnen die Musen den, der zu warten versteht: Ein Medley um „Night and Day“ und zum Schluß „hasta manana“, die letzten Stücke waren der Höhepunkt des Abends.

Klaus Doldinger selbst, seit Jahrzehnten einer der Großen der Musikszene, gibt sich im Konzert recht redselig, plaudert von der schlechten alten Zeit, als die Jazzmusiker noch „unter bergwerksähnlichen Bedingungen“ schuften mußten und erzählt, wie er sich vorgenommen hatte, diese Ochsentour nicht mitzumachen: „Dafür hatte ich nicht Abitur gemacht.“ Ja, Saxophon gespielt hat er auch, und das wirklich nicht schlecht, aber es geht ihm wie dem Hansdampf in allen Gassen. Doldinger macht Filmmusik und Jingles, Poppiges, Fusion und Jazz als Komponist, Arrangeur und Interpret. Und so ist das dann, wenn einer von allem a bisserl was, nein wirklich viel kann: Er kann nicht alles gleich gut. Dennoch: Klaus Doldinger steht auch am Saxophon immer noch ganz ordentlich seinen Mann.