Kevin Mahogany Band | 13.03.1998

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Kevin allein im Keller? Eine beängstigende Vorstellung. Nicht weil sich dieser Hüne von Mann mit seinen fast zwei Metern und seinen gut 150 Kilos dort ängstigen würde. Er sänge auch ohne Publikum unbekümmert und aus vollem Herzen gegen die Tristesse in den schummrigen Gewölben der Neuburger Hofapotheke an. Denn Kevin singt überall, wo er gerade geht oder steht: im Auto, auf der Treppe, in der Garderobe, an der Bar und natürlich „on stage“. Ein besessener, ein leidenschaftlich-unprätentiöser Vokalist, der so ziemlich alles besitzt, was die moderne Musik einer Stimme heutzutage eben abverlangen kann.

Gerade deshalb würde eine allenfalls verhaltene Resonanz Kevin Mahoganys Auftritt auch in unangemessener Weise herabwürdigen. Doch der „Birdland“-Jazzclub weiß schon, wie er Superstars seines Schlages einen gebührenden Empfang zu bereiten hat. Der intime Veranstaltungsort bis auf den letzten Platz mit fachkundigen Menschen besetzt, die Bühne sorgsam für eine glamouröse Performance gerichtet: so sieht sich die in jeder Hinsicht gewichtige Erscheinung förmlich dazu genötigt, eine in jeder Hinsicht imponierende Vorstellung mit nicht endend wollenden Ovationen und Zugaben abzuliefern.

Mahogany erscheint und füllt den Raum mit seiner Auftaktnummer „Centerpiece“, einer kapriziösen Verschachtelung von Blues- und Bebopformen, wie sie in dieser urwüchsigen Dynamik wohl nur ein Musiker aus Kansas City, der Geburtsstadt Charlie Parkers, zustande bringen würde. Geschmeidig-klangvoll besetzt der gelernte Baritonsaxophonist den Saxophonpart, scattet, grummelt, röhrt, streut eigene Lyrics voll feiner Ironie und poetischer Qualität ein, die ihn schnell als einen der im Aussterben begriffenen Vocalizer ausweisen.

Doch der 44jährige kann noch weitaus mehr: sein mit vibrierendem Raum und samtiger Weichheit gesegnetes Organ würde sich für Puccini-Opern ebenso eigenen wie für Schmuse-Soul, die gänsehauterzeugende Gefühlstiefe der von ihm interpretierten Balladen („October Goes“, „In The Wee Small Hours“) läßt für einen ganzen kleinen Augenblick die Zeit gefrieren.

Selbst als Entertainer weiß der Mann mit den vielen Talenten genau, wo die Trennlinie zwischen Klamauk und Unterhaltung liegt. Im herrlich groovenden Jazztheater „Fix It In The Mix“ reiten Dave Stryker, ein pausenloser Produzent perlender Gitarren-Singlenotes, der funkig-perkussive Pianist James Weidman sowie Tyrone Clark am pumpenden E-Baß plötzlich dissonante Extratouren und bringen ihren Chef (nur scheinbar) an den Rand der Verzweifelung, bis dieser zum großen Spaß der Zuhörer klagt: „Die nächte Band stelle ich nicht mehr aus dem Telefonbuch zusammen!“

Wahrscheinlich hätte Kevin, der in Robert Altmans Kinofilm „Kansas City“ mitwirkte, ja auch als Schauspieler eine prächtige Figur abgegeben. Aber nun scheint der Spätstarter endlich den richtigen, zu ihm passenden Weg aus seiner manigfaltig verästelten Karriere entdeckt zu haben. Konsequenter denn je stellt er sein gewaltiges Volumen in den Dienst des Blues. Denn so erdig und unverfälscht wie in Neuburg klangen berühmte Zwölftakter wie „Route 66“ oder „Send Me Someone To Love“ nämlich schon seit der Glanzzeit des kürzlich verstorbenen Jimmy Witherspoon nicht mehr. Gar kein Zweifel: dieser Kevin Mahogany ist sein legitimer Nachfolger.