Eine Stimme und was dahintersteckt: Jazz, nichts als guter Jazz. Sonor-warm tönt sie allwöchentlich aus dem Äther, wickelt sich kontemplativ, fast melodisch um die dargereichte Musik, erläutert profund-kurzweilig Zusammenhänge und steht sogar in den randgruppenfreundlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen für ein rares quantitatives und qualitatives Niveau. Wer den BR-Moderator Joe Kienemann nicht kennt, der darf sich – soviel steht fest – kaum zur Spezies der jazzinteressierten Freistaatbürger zählen.
Klein, aber markant ist der Unterschied zum Rest der locker-flockigen DJ-Kollegenschaft: der Mann weiß, worüber er plaudert! Denn eigentlich ist Kienemann ein Pianist mit bemerkenswerten Fähigkeiten, der nur über Umwege den Weg ins Sendestudio fand und selbst heute, da sich seine Prioritäten längst zugunsten des Mikrophons verschoben haben, immer noch mit einem Bein mitten in der Münchner Szene steht.
Diesen Kick, diese Nähe zu den düsteren Clubs, den hungrigen Musikern, den fluktuierenden Strömungen braucht er für seinen medialen Erfolg, aber auch um die eigene brennende Leidenschaft zu stillen. Bei einem Konzert wie seinem jüngsten im Neuburger „Birdland“ findet Joe Kienemann dies alles in komprimierter Form vor und dankt es mit einer feinen und genußreichen Trioperformance.
Das Erstaunliche am neuen Kienemann sind die unüberhörbaren Kanten, die hart boppenden Nuancen, mit denen das Multitalent inzwischen sein romantisches, von vielen Trällern aufgelockertes, korrekt strukturiertes Spiel unterfüttert. Daß der Gig ausgerechnet diesmal so pikant abswingte und nicht kläglich inmitten all der in der Vergangenheit häufig produzierten gefällig-süßlichen Lieblichkeit absoff, besaß vor allem zwei Gründe: die großen, einfühlsamen Tieftöne von Thomas Stabenow am Kontrabaß und das wusselig-variable Drumming des hochbegabten, diesmal sogar erfreulich berechenbaren Schlagzeugers Guido May. Die drei vermischen keck die Noten altbekannter Evergreens wie „Dein ist mein ganzes Herz“, Marlenes „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, Django Reinhardts „Nuages“ oder Jobims „Triste“ zu frischen Harmonien, die munden, wie ein prickelndes Glas Champagner an einem Frühlingsmorgen.
Kienemann scheut nie das vermeintlich Banale, wohl wissend, daß er mit seiner Philosophie allzeit dicht am Rande des Kitsches entlangschlendert. Doch mit jeder Menge untrüglichem Geschmack ausgestattet greift er nach schönen Melodien und formt daraus Jazz reinsten Wassers. Das charmant-markante Organ mit dem dazugehörigen, selten gesehen Gesicht gibt es während der Ansagen sogar noch als Dreingabe.