Kerstin Schulz & 4 Of A Kind | 11.12.2015

Donaukurier | Karl Leitner
 

An den Wänden des Birdland Jazzclubs in Neuburg hängen Fotos von all den Größen, die hier bereits gastiert haben: Dave Brubeck, Fred-die Hubbard, Gerry Mulligan. Die Liste ist ellenlang und liest sich wie ein Who’s Who des Jazz. Heute aber steht Kerstin Schulz auf der Bühne, die Neuburgerin, die in Ingolstadt Radiomoderatorin ist, die gute Bekannte aus der Nachbarschaft quasi, deren sympathische Stimme so viele kennen und dabei nicht wissen, welch großartige Sängerin sie doch ist, wenn sie das Mikrofon im Radiostudio eintauscht gegen das auf der Bühne.

Clubchef Manfred Rehm weiß ganz genau, dass er überhaupt kein Risiko eingeht, wenn er die Sängerin mit der kraftvollen, nuancenreichen und ausdrucksstarken Altstimme ins Birdland einlädt, dass sie sehr gut zu all den großen Namen an der Wand passen und dass sie am Ende des Abends ein entzücktes und begeistertes Publikum hinterlassen wird. Und so ist es denn auch. Nach knapp zwei Stunden, als sie und ihre Band nach etlichen reizvoll, ungewöhnlich und manchmal auch völlig neu gedeuteten Standards aus Jazz, Rhythm’n’Blues, Blues und Pop mit einem zum Jazzwalzer umfunktionierten Weihnachtslied den Abend beendet haben, will man sie partout nicht gehen lassen.

Nicht ohne Grund, denn wie sie den Spagat schafft zwischen der Urgewalt von „Muddy Water“ und der subtilen Melancholie von „The Nearness OfYou“, wie sie das Publikum mit „Willow Weep For Me“ ins Varieté der Zwanziger Jahre entführt und es nachher mit ihrerRöhre bei „Feelin‘ Good“ wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt, das zeugt schon von Klasse. Ihre souveräne Band mit Jens Lohse (Klavier), Tom Diewock (Schlagzeug), Christoph Zoelch (Tenorsaxofon) und Dominik Uhrmacher (Kontrabass) schnurrt wie ein gut geölter Motor und zeigt – wenn erst einmal von der Leine gelassen – dass sie auch verzwickte, höchst ideenreich gestaltete Neu-Arrangements mühelos meistert. Das passiert ausgerechnet dort, wo man es am wenigsten erwartet, nämlich bei den beiden John Lennon-Adaptionen „Come Together“ und „Ele-anor Rigby“. Dass kurz vor Schluss sogar „If We Make It Through December“ von Merle Haggard, also eine Nummer aus der Country-Ecke, ins Konzept des Konzerts passt, zeigt nur noch mehr die große stimmliche Vielfalt der Sängerin, die auch mit Balladen glänzend zurechtkommt – was ja alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist – wie auch die Subtilität ihrer Musiker.

Im Grunde drückt Kerstin Schulz das Resumeé des Abends selbst trefflich aus, als sie den Klassiker „Under My Skin“ anstimmt. – Ja, es geht wirklich unter die Haut.