Kerstin Schulz & 4 Of A Kind | 14.12.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Kerstin Schulz, das bekannteste Gesicht des regionalen Jazz- gesangs, ist mit ihrer Band 4 Of A Kind wieder mal zu Gast Birdland Jazzclub. Zum insgesamt sechsten Mal innerhalb der letzten Jahre. Publikum und Künstlerin kennen sich also. Nachdem sie auf ihre unvergleichliche Art 14 Songs und zwei Zugaben zu Gehör gebracht hat, stellen sich eigentlich nur zwei Fragen. Was ist diesmal anders als sonst? Und: War sie eigentlich jemals besser als an diesem vorweihnachtlichen Abend beim Heimspiel im proppenvollen Jazzkeller in Neuburgs Altstadt? Um die zweite zuerst zu beantworten: Nein.

Und woran lag’s? An mehreren Faktoren. Der exzellente Ruf, den sie genießt, kommt nicht von ungefähr, denn eine großartige Sängerin war Kerstin Schulz schon immer, aber diesmal ist ihre Stimme facetten- und variantenreich wie selten. Sie deckt an diesem Abend alles ab zwischen Chanson und Pop, zwischen Broadway, Gospel und Country, zwischen leisen, intimen Balladen und mächtigen, soulgetränkten Ausbrüchen. Ihre Stimme ist ihre Aktie, und die befindet sich an diesem Abend auf dem Höhenflug. Absolut intonationssicher, ausdrucksstark und emotional. Kerstin Schulz verbeißt sich regelrecht in ihre Songs, ist mal Doris Day, mal Melody Gardot, mal Annie Lennox und bei „I Don’t Wanna Talk About It Now“ sogar Emmylou Harris. Diese Vielfalt irritiert nicht, sondern jede einzelne Rolle scheint ihr wie auf den Leib geschrieben. Hut ab vor dem Mut zu dieser enormen Bandbreite und vor dem, was sie daraus macht.

Hut ab aber auch vor ihrer Band. Jens Lohse (Klavier), Michael Harnoß (Kontrabass), Christof Zoelch (Tenorsaxofon) und Tom Diewock (Schlagzeug) haben sämtliche Stücke des Abends neu arrangiert, ihnen einen ganz eigenen, eleganten, vornehmen, transparenten Sound verpasst, so dass sie atmen und sich neu entfalten können. Bill Wither’s Klassiker „Ain’t No Sunshine“ wird an den Polarkreis versetzt, Billy Holiday’s „Lover Man“ bekommt Samtpfoten verpasst, Johnny Nash’s „I Can See Clearly Now“ wird auch noch die letzte Spur Reggae ausgetrieben und in „500 Miles“ geht Schulz volles Risiko. Nur Lohses Piano und ihre Stimme, völlig schutzlos und entblößt Dazu gehören enormer Mut, enormes Selbstvertrauen und enormes Können.

Und über allem schwebt der Blues. Ihre tiefe Verbundenheit mit ihm verleiht ihr Glaubwürdigkeit und Durchschlagskraft. Natürlich beherrscht Schulz auch den leichten Windhauch, das leise Säuseln, aber wenn es um „Muddy Water“ oder Jimmy Cox’s „Nobody Knows You When You’re Down And Out“ geht, hat das nur noch wenig mit Belcanto zu tun, dafür aber um so mehr mit Tönen, die aus tiefstem Herzen zu kommen scheinen und einem Feeling, das man entweder hat oder nicht hat. Diese Sängerin, die ihrer Band viel Freiraum zur Entfaltung lässt. Diese Band, die selbigen weidlich nutzt, bei der jeder Basstupfer, jeder einzelne Schlag auf die Trommeln oder Becken am optimalen Platz sitzt, bei der jedes Piano- und Saxofonsolo zur Stimmung des jeweiligen Songs passt. Zusammen ergeben diese Zutaten ein Konzert, das man Schulz und ihrer Band zwar immer schon zugetraut, aber nicht automatisch erwartet hatte. Eine wahrlich reife Leistung. Irgendwann werden sie im Birdland wohl auch ihr Konterfei an eine der geschichtsträchtigen Wände hängen.