im Rahmen des 2. Birdland Radio Jazz Festival
Wenn cool tatsächlich ein Modetrend sein soll, dann ist Kenny Garrett megaout. Beim zweiten Highlight des Neuburger Radio Jazz Festivals im intimen Jazzkeller unter der Hofapotheke brennt der 52-jährige Altsaxofonist und Protegé von Miles Davis 120 Minuten lichterloh mit der Tendenz zum Flächenbrand. Garretts epische Coltrane-Weiterdeutungen verschrecken nicht nur wegen ihrer kaum zu ertragenden Intensität, sondern weil sie schlicht kein Ende finden wollen.
Irgendwann, als die interstellare Reise über die Grenzen des Sonnensystems an einem toten Punkt gelangt, dröseln der Altsaxofonist und seine schwitzende, am obersten Level agierende Combo auf wundersame Weise den gordischen Knoten auf. Niemand rechnet mehr damit, dass mit einem Mal ein dunkel schimmernder Blues ohne jeden soloähnlichen Ausbruch im Raum steht, pendelnd, voller hypnotischer Kraft. Von da an bleibt die Musik geerdet, aber nicht minder kraftvoll. Garretts Experiment, den Jazz mit Lava ähnlichen 7/4-Metren aufzuhübschen und ihn als tanztaugliche Massenware zu verkaufen, funktioniert zumindest an diesem Abend. Ein Generalrezept darf man jedoch aus diesem strapaziösen Wechselbad zwischen anspruchsvoller Komplexität und plumpem Populismus mitnichten ableiten.