Kenny Barron – George Robert | 27.03.2004

Donaukurier | Guido Heineck
 

„In der Mitte entspringt ein Fluss“, so der Titel eines unter der Regie von Robert Redford gedrehten Films um den Konflikt und das sich wieder einander Annähern zweier gegensätzlicher Brüder. Was, so mag sich nun der Leser berechtigt fragen, hat dies mit der Kritik eines Jazz-Konzerts zu tun? Inhaltlich, zugegeben, garnix. Dafür umso mehr, was Inszenierung und Stimmung des Abends betrifft: Dem Film ähnelnd war der Auftritt des Kenny Barron – George Robert Duos im Neuburger Birdland behutsam und ohne Effekthascherei in Szene gesetzt. Unter der ruhigen Hand eines fiktiven Kameramanns spielte sich so für das Publikum ein aus Originals und vertrauten Standards arrangierter Hörfilm ab.

Dass Kenny Barron dabei nicht mehr unter Beweis stellen muss, warum er regelmäßig von Jazzjournalisten zum besten Pianisten gewählt wird, dürfte sich von selbst verstehen. Technisch perfekt, übersprudelnder Einfallsreichtum, melodiös und doch auch perkussiv – selten hat sich alles, was das Jazzpiano auszeichnen kann, so trefflich in einer Person vereint. Zwar sagt er das ganze Konzert über kein Sterbenswörtchen, lässt dafür aber umso mehr den Flügel sprechen. Und so zeigt der aus Philadelphia stammende Barron schon gleich im ersten Stück, „East of the sun“, dass er die Traditionen und Strömungen des Jazz verinnerlicht und zu seiner ihm eigenen Kunst erhoben hat.

Die Linke einem Stride-Pianisten zu Ehre reichend, perlt die Rechte, dass Tommy Flanagan seine schiere Lust gehabt hätte. Doch Barron wäre nicht der von unzähligen Jazz-Größen verehrte Begleiter, wüsste er nicht um die Wirkung des sich Zurückhaltens. So auch hier. Und George Robert ist stets zur Stelle, die sich ihm öffnenden Räume zu nutzen. Mit stupender Technik und mal sanftem, mal bissig-griffigem Sound ausgestattet, wird schnell deutlich, wieso dem gebürtigen Schweizer von seinem einstigen Lehrer Phil Woods attestiert wurde, zu den Besten zu gehören.

Doch nicht nur spielerisch, auch kompositorisch gesellt sich Robert zu seinen Vorbildern. Scheint bei der Stan Getz gewidmeten Nummer „Waves“ noch ein Hauch von Melancholie durch, so stehen im folgenden „Last Call“ Leidenschaft und Passion im Zentrum. Robert, der vom Altsaxophon zum Sopran wechselt, treibt sich und das Publikum durch die Skalen der 6/4-Nummer, dass man Coltrane nicht nur aus der Ferne erahnt. Herrlich, wie Barron triolisch dagegen setzt und mit seiner Begleitung das Gefühl gibt, eine komplette Rhymthmusgruppe mit Bass und Schlagzeug vor sich zu haben.

Ein weiteres seiner Stücke, „Peace“, empfiehlt Robert zudem als Balladen-Komponisten. Und welch eine Ballade: Kein falsches Pathos, kein Schnick-Schnack. Jeder Ton ist wesentlich und trägt zur Befriedung des Birdland-Publikums bei, bevor es von den beiden mit der Uptempo-Nummer „Just in time“ nahezu atemlos zurückgelassen in die Pause geschickt wird – ein weiterer Kunstgriff der Inszenierung.

Das zweite Set ist ebenfalls harmonisch in sich abgestimmt. Überraschend ist jedoch, dass Barron und Robert noch dichter beinander sind. Eröffnet mit Barrons „Voyage“, selbst schon ein Standard, schafft es Robert mit seinem erzählerischen Spiel, seine „First steps“ vor dem inneren Auge der Zuhörer in eine kleine, in sich geschlossene Welt zu verwandeln. Hierauf nahezu logisch folgend: „Soul Eyes“ von Mal Waldron. Wieder ist die Interpretation aufrichtig, Kitsch hat bei diesen großartigen Künstlern keine Chance.

Klassisch der Schluss des Konzerts: Zunächst ein Blues als, betont, erste Zugabe. Kein Wunder, dass eine zweite heftigst erklatscht wurde. Dass Robert dem Publikum abschließend noch ein schönen Abend wünscht, sei seiner Höflichkeit zugeschrieben. Dass dieser Wunsch unerfüllt bleiben musste, sei hingegen hervorgehoben, denn schöner konnte er schlichtweg nicht mehr werden.