Curtis Fuller Sextet | 03.04.2004

Donaukurier | Guido Heineck
 

Wenn Generationen aufeinander treffen, so ist dies meist eine Sache für sich. In schlimmeren Fällen, und wer kennt dies nicht anhand eigener durchlittener Familienzusammenkünfte, endet es in gegenseitigen Vorhaltungen, Streitereien und letztlich doch nicht einzuhaltenden Ankündigungen, sich nie wieder mit den, wahlweise, Älteren oder Jüngeren einzulassen.

Dann gibt es jedoch auch Situationen, wo beide Seiten versöhnlich, wenn nicht gar harmonisch miteinander umzugehen wissen. Mehr noch, es besteht dann die Chance, dass Traditionen und Erfahrung weitergegeben werden, oder doch wenigstens die Jungen die Altvorderen mit Respekt auf ihr Lebenswerk zurückblicken lassen, wohlwissend, dass ihre Stunde bevorsteht.

In gewisser Weise war der Auftritt des Curtis Fuller Sextets im Neuburger Birdland ein solches Generationentreffen. Auf der einen Seite drei glanzvolle Namen, die den Hardbop entscheidend mitgeprägt haben: Der Pianist Ron Matthews, Don Sickler an der Trompete und eben Curtis Fuller, der neben J.J. Johnson wohl einer der ersten Namen ist, die einem beim Gedanken an Hardbop-Posaunisten einfällt. Im Mittel 67 Jahre alt, sind die Credits dieser drei ein beeindruckendes ‚Who’s who’ der Jazzhistorie. Auf der anderen Seite, die auch nicht mehr ganz so Jungen und, an diesem Abend, auch nicht ganz so Wilden: Schlagzeuger Tony Reedus, Bassist Dwayne Burno und Tenorist Javon Jackson.

Zunächst rein visuell zieht sich zwischen den Generationen auf der Bühne ein Trennstrich – Alt links, Jung rechts und, natürlich völlig belanglos, ohne Krawatte. Und das erste Stück des Abends will nicht nur im Titel zeigen, dass hier vergebens nach einem Konflikt gefahndet würde. ‚The Clan’, ein im Uptempo dahin brettender Hardbop-Kracher, die Musiker außerordentlich ‚tight’, also dicht beinander und aufeinander abgestimmt, Indizien also, die einen voreingenommenen Kritiker lügen strafen würden.

Auch das weitere Programm wartet mit einem Füllhorn abwechslungsreicher Titel auf, die allesamt ihren Platz in der Ewigenliste des Hardbop-Repertoires sicher haben, darunter ‚Caravan’ und ‚Ruby my dear’. Und doch erahnt man bisweilen, dass die Veteranen des Sextets mit ihrer schier endlosen erscheinenden Erfahrung wettmachen wollen, was ihnen an jugendlichem Feuer naturgemäß nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung steht. Keine Frage, Spielwitz und technische Fertigkeiten sind nach wie vor oberste Liga, etwa wenn Matthews in Fullers ‚Arabia’ Monk-Zitate in sein Piano-Solo einbaut oder Fuller selbst im gleichen Stück ehrfurchtseinflößende Stakkato-Phrasen in den Hofapothekenkeller strahlen lässt.

Auf dem vertrauensvollen Fundament der schon physisch eher einem Gebirgsmassiv gleichenden Rhythmusgruppe um Burno und Reedus ist es gleichwohl der von der breiten Jazzöffentlichkeit eher unterbeachtete Javon Jackson am Tenorsaxofon, der an diesem Abend nicht nur körperlich herausragt. Obwohl respektvoll und banddienlich zurückhaltend, sind es doch sein offener, bluesig-rauer Sound und seine wendungsreichen und inspirierten Soli, die ihn von den anderen abheben. Und so ist es bestimmt kein Zufall, dass ihm Sickler und Fuller für ‚Body and Soul’ die Bühne überlassen. Und tatsächlich kitzelt er aus diesem schon tausendfach interpretierten Standard noch Neues, den Zuhörer Fesselndes hervor. Respekt.

Curtis Fuller quittiert dies wie manch andere Ausbrüche seiner musikalischen Ziehkinder – wenn sich Reedus beispielsweise im Solo zu ‚Caravan’ derart wuchtig empor schraubt, dass er mit seinen Art-Blakey-ähnelnden Rolls schließlich eins seiner Becken nahezu vom Ständer drischt – stets mit einem milden und aufrichtigen Lächeln. Er weiß um den Stabwechsel und dass dieser unvermeidlich ist. Er weiß allerdings auch, dass er das Feld für die ihm Nachfolgenden mehr als gut bestellt hat.