Kagerer – Nieberle Duo | 19.12.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Wenn in Brasilien Schnee fällt, kann das nur zwei Ursachen haben: Entweder es ist ein Winterwunder geschehen, was in unseren aufgeklärten Zeiten ja leider seltener der Fall ist. Oder es ist Weihnachtszeit an der Donau, genauer lokalisiert im Neuburger Birdland Jazzclub. Seit Menschengedenken – na ja, nicht ganz, aber immerhin seit einigen Jahren zelebrieren hier die beiden Helmuts – Kagerer und Nieberle – die Vorweihnachtszeit mit gitarristischen Schmankerln. So wundert es dann eigentlich niemanden mehr, wenn das „Winterwonderland“ als brasilianischer Bossa Nova erklingt.

Eine treue Fangemeinde findet sich alljährlich ein, wenn Helmut Kagerer und Helmut Nieberle die hohe Kunst des Duos zelebrieren. Schon Anfang der 90er wurden sie aus berufenem Mund als das wahrscheinlich einzige feste Gitarrenduo bezeichnet, das das Prädikat wertvoll verdiene. Dem ist nichts hinzu zu fügen, es sei denn dieses: Helmut Kagerer und Helmut Nieberle haben die Kunst des Zusammenspiels so intensiv perfektioniert, dass kaum mehr ein Beispiel zu nennen wäre, an dem sie gemessen werden könnten, es sei denn, sie würden selbst als solches Verwendung finden. Es ist mehr als beeindruckend, wie sie in verschachtelten Sololäufen ein virtuoses Kabinettstückchen ans andere setzen, wie sie einander die Bälle zuspielen, weitaus mehr hörbar machen als tatsächlich an Noten erklingt, Akkorde, Bassläufe, Soli, Duette und die Kunst des Zuhörens in innigem Miteinander auf höchstes Gitarrenniveau führen. Helmut Kagerer bringt dabei das Erbe Attila Zolers, seines älteren Bruders im gitarristischen Geiste, in immenser Intimität auf den Punkt und führt es in großartiger Eigenständigkeit fort in einer schlichtweg grandiosen Mischung aus meditativer Phantasie, empfindsamer Feinnervigkeit und leiser melancholischer Ironie. Helmut Nieberle lässt aus seiner 7saitigen Gitarre die Pennies from Heaven nur so regnen in silberhellem Klang. Miteinander beherrschen sie ein stilistisch breites Spektrum aus Bossa , Swing und Bop, dem ab und zu ein kleiner Ausritt ins Freie so gut tut wie eine humorvolle Schlittenfahrt. Zum guten Schluss: Selten war der gute alte deutsche Tannenbaum mit so viel frischem Immergrün versehen wie an diesem denkbar schönen vorweihnachtlichen Jazzabend.