Kagerer – Nieberle | 17.12.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Einzeln zählen sie zu den gefragtesten Gitarrenadressen des Jazzcircuit, zusammen attestieren ihnen namhafte Kritiker häufig sogar absolute Weltklasse. Doch Helmut Kagerer und Helmut Nieberle stammen leider „nur“ aus Regensburg. Beim geschätzten Publikum kommen deshalb unterbewusste Signale wie diese an: nachgemacht, unverkäuflich. Das ewige Kreuz, ein deutscher Jazzmusiker zu sein.

In Neuburg weiss man die gittarierenden Helmuts freilich schon seit Wiedereröffnung des „Birdlands“ zu schätzen. Hier spielen sie beinahe öfter, als in ihrer Heimatstadt, und das bevorzugt in den Tagen vor Weihnachten, weil sich ihre filigranen akustischen Offenbarungen einfach wie ein flauschig warmer Schal um die häufig missverstandene Magie der „staden Zeit“ zu schmiegen verstehen. Stets tauchen sie mit neuem Programm, erweitertem Repertoire und alter Lust auf das gemeinsame Eintauchen in Melodien, Harmonien und Stimmungen auf. Kagerer und Nieberle: das ist ein Stück ehrliche Arbeit und jungfräuliche Kreativität, ganz exklusiv für das gerade anwesende Publikum ausgepackt.

Auch der Jahrtausend-Konzertausklang im Hofapothekenkeller machte da keine Ausnahme. Mit seismographischer innerer Symmetrie schliffen die „German Guitar Twins“ an einem gut zweistündigen, entspannten, atmosphärisch warmen Abend stets alle ihre Songs zu unprätentiösen, aber auch unüberhörbaren Perlen. Allesamt überraschend kurz, aber nie oberflächlich geraten. Ein Rahmen wie dieser bietet für die beiden Regensburger die probate Möglichkeit, ihr breites Band an stilistischen Variationen und spieltechnischer Eleganz, das enorme Level der Kompositionen, ihre bestechende Reife und ihr Dosierungsgespür zwischen Feeling und Drive ins rechte Licht zu rücken.

Jeder einzelne der beidseitig absorbierten Einflüsse taucht irgendwo in einer Viertelnote auf: Barney Kessel („Secret Love“), Jim Hall („Milano“), Charlie Christian („Benny`s Bugle“), Django Reinhardt („Swing For Django“), Attila Zoller („When It`s Time“). Das Duo ergänzt, fordert, verwinkelt sich, verdreht die Changes, scheint sich pausenlos in kompliziertesten Themen zu versteigen, ja zu verzetteln, und kommt doch immer wieder auf wundersame Weise aus seinem eigenen Dickicht an fingerakrobatischen Kunststückchen heraus, ohne eine Fraktur der Extremitäten zu erleiden.

Das eigentlich Wertvolle dieser in punkto Tempi wie auch Klangfarben zwischen Bop und Ballade fein ausbalancierten Häppchen scheint jedoch die Erkenntnis, daß Helmut Nieberle und Helmut Kagerer im gegenseitigen Öffnen einen Sound finden, den in Europa mittlerweile niemand auch nur im Ansatz kopieren kann. Nieberles czardas-verhexte Improvisationen oder dessen launige Intermezzi auf der Ukulele, Kagerers wieselflinke Funk-Attacken in Charlie Barnets Bigband-Nummer „Skyliner“ mit runden Kanten oder „Mind The Step Fritz“, die herrlich rollende Homage an den großen Mentor des Neuburger Jazzclubs, Fritz von Philipp, eigens zu dessen 60. Geburtstag geschrieben; wer bei diesem vielleicht besten aller bisherigen Auftritte der „Helmuts“ im „Birdland“ fehlte, der wird wohl kaum mehr hinter all die stillen Geheimnisse dieses unscheinbaren Instrumentes mit den sechs und manchmal sogar sieben Saiten dringen können.