Klar, Randy Newman schnarrt. Er singt trocken, staubtrocken. Also muss auch dieser Sound trocken sein. So trocken, dass es zwischen jeder Note knirscht. Der Kontrabass knarzt, das Schlagzeug klappert, das Klavier klirrt: „Let`s burn down the Cornfield“. Ein eigenwilliger, elektrisierender Groove. Und diese Stimme. Nicht die des großen amerikanischen Chefzynikers und Doppeldeuters, dessen Songs nun einer skurrilen Revitalisierung harren und den „Birdland“-Jazzkeller unter der Neuburger Hofapotheke in ein völlig ungewohntes Licht tauchen.
„Cowboy“ singt die kleine, zierliche Frau, und es trägt überhaupt nichts mehr Herbes, Viriles oder gar Zynisches an sich. Es ist eher eine zarte Hülle, die Anna Lauvergnac um das Thema spannt, etwas zutiefst Sinnliches, fast schon Übersinnliches. Und irgendwie gibt die wunderbare Italienerin den spröden, trockenen Kleinodien Newmans damit auch ihren ursprünglichen tiefen Sinn zurück. Dessen in den 60er, 70er und 80er Jahren entstandene Beschreibungen typischer amerikanischer Neurosen, diese exakten Positionsbestimmungen der Seele lassen sich inzwischen auch problemlos global anwenden. Verletzungen in Sarkasmus verpackt und dann noch von zwei Frauen und zwei Männern völlig auf den Kopf gestellt – das kann was werden.
Die waghalsige Idee, den alten Newman jung und jazzkompatibel zu gestalten, stammt von der Pianistin Julia Hülsmann. Mag schon sein, dass so mancher graumelierte Fast-Oldie „Mama told me not to come“, die Hymne der verbotenen Partys, mit der die Popgruppe Three Dog Night 1972 einen Riesenhit landete, nach ihrem fast monkischen Facelifting nicht mehr wiedererkennt. Auch „In Germany before the War“, die Moritat auf einen Kindermörder in Düsseldorf, gerät seltsam verwoben, gespenstisch. Der hibbelige Drummer Heinrich Köbberling vitalisiert fächerartig „Lonely at the Top“ und selbst Joe Cockers akustische Visitenkarte „You can leave your Hat on“ klingt völlig anders. Das Quartett probiert nicht nur Hüte aus, sondern auch einen lasziv-monotonen Sprechgesang, morseartige Kürzel vom Fender Rhodes-Piano sowie eine kreiselnde Bassbeschwörung von Marc Mühlbauer.
Das Ziel von Hülsmann, Lauvergnac, Mühlbauer und Köbberling scheint klar: nicht auf den Wiedererkennungswert setzen, keine Eins-zu-eins-Kopie bekannter Gassenhauer abliefern, sondern etwas Neues, Ungehörtes. Das funktioniert deshalb jedoch nur bedingt, weil Jazzfans eben nach wie vor überwiegend als puristische Scheuklappenwesen durch die Gegend laufen und die meisten von Newmans Songs gar nicht kennen. Nur deshalb kann eine wehmütige Ballade wie „Baltimore“ mit ihrer fast greifbaren Traurigkeit wohl dermaßen direkt und ohne Vorwarnung unter die Haut gehen.
Deshalb verflacht aber auch die Newman-Hommage danach ziemlich unvermittelt. Ein unnötiger Knick. Die instrumentalen Improvisationen des Trios Hülsmann-Mühlbauer-Köbberling ziehen sich wie Hefeteig in die Länge, bis die springlebendige Anna Lauvergnac der drohenden Langweile einen Riegel vorschiebt. Diese Frau baut Brücken: zum Original, zum Publikum. Und sie macht den Unterschied aus. Nicht nur zu Randy Newman.