Randy Newman gilt als einer der wirklich großen Songwriter. Mit seinen in eingängige Melodien verpackten sarkastischen Texten entlarvt er seit nunmehr rund vierzig Jahren die dunkle Seite des amerikanischen Traums, der in weiten Teilen zum Traum des gesamten westlichen Wohlstandsstrebens geworden ist. Die Pianistin Julia Hülsmann und die Sängerin Anna Lauvergnac haben sich im Neuburger Birdland Jazzclub mit ihrer Band einiger der merkwürdig morbiden Songs des Antipop-Popstars angenommen.
Der amerikanische Schriftsteller Greil Marcus widmete Mitte der 70er dem damals schon kultverdächtigen Randy Newman ein umfangreiches Erste-Klasse-Abteil seines Buches „Mystery Train“, bezeichnete den zynischen Songwriter als „einen der sonderbarsten Musiker, die der Rock’n’Roll seit den berauschenden Tagen von ‚Sgt. Pepper‘ hervorgebracht hat“ und rühmte seine bissige Ironie über den grünen Klee. Seitdem ist viel Zeit vergangen, die Karriere von Randy Newman währt bereits fast vier Jahrzehnte, die Songs des umtriebigen Mephisto seiner eigenen „Faust“-Vertonung gehören zum festen Repertoire der Popmusik. „You can leave your hat on“ z.B. gab vor einigen Jahren Joe Cocker mit großem Erfolg zum Besten. Die Tage, als man die ersten LPs Randy Newmans als Werbegeschenke abgab, möchte die Plattenfirma, die ihn inzwischen mit einem „Songbook“ als Klassiker feiert, heute wohl gerne vergessen wissen.
Julia Hülsmann sah vor Jahren als Kind ein Newman-Konzert im Fernsehen – damals lief so was noch zu angemessenen Sendezeiten –, entdeckte im elterlichen Hause entsprechende Noten und spielte flugs statt klassischer Etüden ihre ersten Randy Newman Songs. Die Liebe hielt bis heute und inspirierte die Pianistin zu einer Hommage, die wesentlich näher an Newmans Unnahbarkeit ist als so manche wohlbekannte Coverversion. Neben den Trio-Kombattanten Marc Muellbauer am Bass, Heinrich Köbberling am Schlagzeug und dem von ihnen fabrizierten hypnotischen Groove sowie dem flirrenden Sound eines Keyboards hat sich Julia Hülsmann der vokalen Mitarbeit von Anna Lauverganc versichert. Und die langjährige Sängerin des Vienna Art Orchestra erweist sich in düsterer Melancholie als ideale Interpretin der dämonischen Schräglage. „Let’s burn down the cornfield“: Man spürt förmlich die Versuchung, das erste Glimmen, die aufzüngelnden Flammen. Die suggestive Stimme von Anna Lauvergnac sorgt für flackernde Tiefenschärfe, während das Piano von Julia Hülsmann die Songs förmlich zerfieselt, sich ihre noch so kleinen Nuancen einverleibt, das Chaos bloßlegt, das sich hinter der Fassade verbirgt. Was bleibt vom „Cowboy“ in den grauen Schluchten von „Baltimore“? „Too late to fight, too tired to try!“ Newmans bissige Songs bekommen noch einen Schuss spöttisches Mitleid mit auf den Weg. Gar unromantisch der Tod in den Stiefeln, erschreckend der Düsseldorfer Kindermord „in Germany before the war“, eher würgend der erträumte Geschmack von Freiheit und Abenteuer auf der Party, von der frau erst hinterher weiß, dass die Mutter recht hatte: „Mama told me not to come.“ Nur selten wird der Grat zur l’art pour l’art sehr schmal in den ausgedehnten Improvisationen Julia Hülsmanns, zumeist gelingt es, den Songs von Randy Newman durchaus verstörende neue Facetten zu entlocken. Wer den Hut aufbehalten wollte, tat gut daran ihn festhalten.