Jürgen Seefelder – Jazzforce | 01.11.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Eine klassische Jazzcombo im 21. Jahrhundert: Die Songs tragen andere Namen als früher, heißen „Buh Buh“ oder „Blues für Nathan“ und mischen manchmal Salsa oder eine Prise Funk unter ihr mehrgängiges Menü. Aber ansonsten läuft alles weiter nach dem altbewährten Schema „Thema-Solo-Solo-Solo-Thema“, präsentieren sich die Instrumentalisten in einer Art Schaulaufen, bei dem die Band nur für einen relativ kurzen Zeitraum zusammen- und jeder für einen relativ langen Zeitraum alleine spielt.

Auch das Gastspiel von Jürgen Seefelders „Jazzforce“ im Neuburger „Birdland“ funktioniert exakt in diesem vorgesteckten Rahmen und führt einem trotz all seiner Virtuosität und des auflodernden Feuers die Krise vor Augen, in welcher der Jazz gerade in Zeiten steckt, da eine ausgemachte Popikone wie Dave Stewart zum Highlight der kommenden Ingolstädter Jazztage befördert wird. Das Publikum lechzt heute nach Tanzbarem oder schätzt ausgeklügelte, phantasievolle Arrangements, die das Licht im eigenen „Ohrenkino“ anknipsen.

Von all dem hat das Quintett des Tenor- und Sopransaxofonisten Seefelder, eines sturmerprobten Haudegens der deutschen Szene, in seinen lichtesten Augenblicken ein bisschen. Wobei sich die Erlebnismomente dieses Konzertes einmal mehr auf die solistischen Leistungen reduzieren. Da wäre zum einen der Bandleader selbst. Ein versierter, rasant formulierender Jünger der Coltrane-Tradition, der sich im Gegensatz zu den inzwischen das Wort führenden Vertretern der Michael-Brecker-Schule mit Vorliebe auch in den volltönenden tiefen Registern aufhält und filigran verästelte Phrasen durch simple melodisch-groovende Linien kontrastiert.
 
Einen wohltuenden Kontrapunkt zu Seefelders Expressivität setzt die Altsaxofonistin Carolyn Breuer, die in jüngster Vergangenheit vor allem Dank der medialen Hilfe eines Roger Willemsen als eine Art Fräulein-Wunder des deutschen Jazz Popularität erlangte. Breuer beherrscht die noble Kunst, Höhepunkte der Entrückung nicht durch Powerplay, sondern durch nuancenreiche Spannungsbögen aufzubauen. Ihr Sound ist warm und anmutig, ihre Linien filigran und einfallsreich. Eine große Melodikerin, die vor allem in langsamen Balladen mit ihrem unaufhörlichen Streben nach Form konservative Jazzstrukturen langsam hinter sich lässt.

Ansonsten herrscht auf der Bühne Business as usual, in dem Bassist Marc Abrams weite, fast erzählerisch anmutende Schleifen von unscheinbarer Autorität zieht, aber die hoch talentierte Pianistin Anke Helfrich wegen der erdrückenden Dominanz der Bläser leider weit unter ihren Möglichkeiten bleibt. Nur in „Upper West Side“ genehmigt „der blonde Monk“ (so ein führendes deutsches Jazzmagazin) einen unverstellten Blick auf eine erfrischend offene, eckig schräge, unwiderstehlich bluesige, intelligent swingend Pianistik.

Als völlig missglückter Ausbruchsversuch muss dagegen der Part von Drummer Bastian Jütte gewertet werden. Seine ohrenbetäubenden Soli, aber auch die in den schnelleren Nummern enervierend wummernde, Basstrommel dominierte Begleitung waren weder Fisch noch Fleisch, weder Jazz noch Rock, sondern einfach nur noch Krach. Keineswegs ein Spiegelbild des aktuellen Jazz, sondern mehr eine Momentaufnahme der Ratlosigkeit seiner Protagonisten.