Copland – Abercrombie – Wheeler | 27.10.2002

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Ein Wochenende mit vier hochkarätigen Konzerten des Birdland Jazzclub beschlossen Marc Copland, Kenny Wheeler und John Abercrombie mit einem Abend, der die introvertierte Seite der improvisierten Musik aufzeigte. Das Trio in der eher ungewöhnlichen Besetzung mit Piano, Flügelhorn und Gitarre vereinte drei ausgeprägte Individualisten zu einem eher stillen Konzert.

„Singet leise, leise, leise, Singt ein flüsternd Wiegenlied, Von dem Monde lernt die Weise, Der so still am Himmel zieht …“ Wie ein Gedicht aus der Romantik mutet an, was Copland, Abercrombie und Wheeler im Jazzclub an stiller Verinnerlichung zelebrieren. Bei aller Selbstversunkenheit vereint die Drei eine ganz wesentliche Fähigkeit: Sie können zuhören, geduldig warten und aufeinander eingehen. Ohne irgendwelche Masken präsentieren sich drei Männer, die um die Zerbrechlichkeit des Lebens wissen, hinter der Fassade vermeintlich sicherer Selbstgewissheit die Brüchigkeit der menschlichen Existenz wahrnehmen und die Charakterstärke haben, diese auch zum Ausdruck zu bringen. Das mag nicht dem Zeitgeist der Starken und Schönen entsprechen, um so wichtiger ist es. Copland, Abercrombie und Wheeler lassen eine intensive Geistesverwandtschaft zu Tage treten in den weiten transparenten Linien, die sie um einander schlingen zu einem zarten Geflecht von läuternder Klarheit, langsam, behutsam, reduziert, voller Rücksicht und in versammelter Energie des Augenblicks. Da entsteht in sachter Würde der „Soundtrack“ subtiler Tiefenbohrungen in die Verwerfungen der Seele, tasten sich Expeditionen ins „Dark Territory“, entwickeln sich „just in time“ sanfte Suchbewegungen von innerer Spannung und stiller Schönheit, melancholischem Charme und entsagender Romantik. Keine strahlenden Highnotes, keine glatt perlenden Läufe, keine brillanten Klangkaskaden. Karge Klänge, die deutlich machen, dass es die kleinen Dinge sind im Leben, die zählen, „that’s for sure“: Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit, da wo wir gerade sind, nicht wo „man“ etwas tun müsste. Clemens Brentano hätte seine helle Freude gehabt an diesen drei unverbesserlichen Romantikern.