Jürgen Hagenlocher Quintet | 02.11.2012

Neuburger Rundschau | Stephanie Knauer
 

Beim Jazzhören gibt es verschiedene Arten des Mitwippens. Der eine nickt auf dem Schlag, der andere Off-Beat, jeweils Viertel-weise, alle Halbe oder taktweise, mit dem Kopf, den Füßen, mit Körpereinsatz soweit auf dem Stuhl dezent machbar. Am Freitagabend im Neuburger Birdland sah man die ganze Bandbreite. Das Jürgen Hagenlocher Quintet hatte durch alle Skalen hindurch – und gespielt wurden viele – immer einen tollen Groove, der übersprang. Überhaupt bestand die Band aus „Hochkarätern der New Yorker Jazzszene“, wie die Birdland-Homepage nicht zu viel versprach und hatte demnach auch eine tolle, begeisternd lebendig pulsierende Rhythmusgruppe. Es machte Spaß zuzuhören, wie Drummer Donald Edwards im Hintergrund Bläsertriller, rhythmische Piano-Attacken widerspiegelte, wie er das Geschehen kommentierte, stützte, aufheizte und perfekt passend überleitete; wie Kontrabassist Boris Kozlov mit wunderbar tief sonorem Ton  und schnellen Fingern den swingend federnden Bass beisteuerte, wie er mit Witz und souveräner Improvisationskunst in den Solos zu fernab liegenden Zitatanklängen ausscherte und überraschend punktgenau wieder im richtigen Modus landete. Pianist David Kikoski spielte am Flügel und Fender Rhodes mit Haut und Haar von seinen akkordischen Einwürfen, manchmal gewagt aufrauend aber stimmig, bis zu seinen Einsätzen im Rampenlicht – hier blühte er auf, vergrub sich ekstatisch in die Tasten, kostete die Klaviatur aus, tremolierte, explodierte zu Läufen, Brechungen, hingeworfenen Klängen. Das Augenblicksschaffen, das virtuose Stegreifspiel aus dem Bauch heraus, gestützt und unterfüttert von enormer Erfahrung und Kompetenz, spielte an diesem Abend die Hauptrolle. Fast hatte der Bandauftritt mit seinem Reihum-Solieren nach der einleitenden Vorstellung der jeweiligen Nummer – die meist von Hagenlocher stammten, einmal auch von Drummer Edwards – Sessioncharakter, der Abend war ein astreines Jazzclub-Event und der Rahmen im Apothekenkeller dazu die richtige Lokalität. Die Musiker gaben sich selbstbewusst locker, nickten anerkennend, wenn der Solierende  aufdrehte, waren ganz, ungehemmt, mit Spaß bei der Sache, wenn sie an der Reihe kamen. Das galt besonders für die beiden Bläser, die im Duett bis hin zur dirty-tones-Schliere am Phrasenende CD-reif präzise zusammen spielten. Hagenlocher stand mit seinem rauchig weichen Ton, mit seinem modalen Endlos-Phantasieren deutlich in Coltraine-Tradition, auch bei dem herausragend facettenreichen Meister-Trompeter und- Flügelhornist Alex Sipiagin klangen die Großen – Davis, Brecker, Fresu – durch: Das war guter, moderner Jazz mit starken Wurzeln.