The European Leaders | 27.10.2012

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Dafür muss man ihn einfach lieben: Wie er das Intro seines „Waltz for Jim“ spielt, fast schon gegen Ende des Konzerts, klar, intim, verletzlich, das ist große Kunst, erinnert tatsächlich stark an den geehrten Jim Hall, zugleich an Attila Zoller, ist selbstredend zugleich unverkennbar Helmut Kagerer, einer der vier „European Leaders“, die im Birdland der Jazztradition frönen.

Präsent ist dabei in erster Linie jene Zeit, in der Jazz ganz Europa als Musik der Befreiung aufatmen ließ, als endlich auch in Deutschland improvisierte, swingende Musik erwachen durfte, reichlich spät nach tausend Jahren Marsch, Krieg und brutalster Gewalt. Dass Hardbop und Cool Jazz aus Amerika wie ein Jungbrunnen auf durstige Seelen wirkten, ganz Europa mit dem Musenkuss der Freiheit aus der Totenstarre weckten, ist heute kaum mehr nachvollziehbar in allseits zugänglichen Download-Zeiten des worldwide web.

Dennoch: Die Vitalität der ersten gesamteuropäischen Jahre des Jazz, lang vor der EWG, überträgt sich auch heute noch live in den Keller, zumal wenn vier Musiker von solch untadeliger Qualität die Luft im Gewölbe in guter Balance von Standards und Originals mit munteren Schwingungen anreichern.

Da sind Helmut Kagerer, der Feeling und Energie, Melodiosität und Kante wohldosiert zu vereinen weiß, Bernd Reiter, dessen swing stracks in die gute alte Zeit trägt, Renato Chicco, dessen Orgel wahre Dampfwolken ausstößt, und der so kraftstrotzende Starkstromtrompeter wie samtige Flügelhornstreichler Stepháne Belmondo, da sind respektvolles Traditionsbewusstsein, lebendige Improvisation, lockeres, tolerantes, selbstbewusstes Ensemblespiel, da ist Jazz, der auch heute elektrisieren und mitreißen kann wie eh und je.