Joscho Stephan Quartett | 29.10.2010

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Er sieht aus wie ein braver BWL-Student, der kein Wässerchen trüben kann, wie er da entspannt auf der Bühne des Birdland sitzt. Aber kaum legt Joscho Stephan los, klingt es wie ein Teufelsritt über die Saiten. Der 31jährige Möchengladbacher begeisterte im Birdland Jazzclub mit seiner die Tradition behutsam weiter führenden Variante einer Hommage an Django Reinhardt.

Der wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Seine Bedeutung für den Jazz ist kaum zu überschätzen, die Zahl seiner Nacheiferer kaum zu zählen. Aus deren Heer hebt sich Joscho Stephan nicht allein der alles überragenden technischen Fähigkeiten und Staunen erregenden Virtuosität heraus. Joscho Stephan gelingt es, im absolut klassischen Setting eines Quartetts mit 2 Gitarren, Geige und Kontrabass die Tradition des Gypsy-Swing mit einer modernen Jazzauffassung so zu vereinen, dass Wiedererkennbarkeit garantiert, zugleich Kreativität ausgereizt wird.

Da kommt schon mal ein Hardrock-Riff von Cream oder Deep Purple vor in einem der atemberaubenden Soli, locker und ohne Effekthascherei, einfach, weil’s gerade passt. Joscho Stephan mischt das Repertoire geschickt, bringt Django-Klassiker wie den „Minor Swing“, „Tears“ und „Nuages“, Gypsy-Kompositionen wie Grappellis „Les Valseuses“ und Dorado Schmitts „Bossa“, Standards wie „Four Brothers“, „Song For Oscar“, „Sway“, „You Made Me Love You sowie Eigenes u.a. mit „Stomp“ oder eben „Django Nuevo“.

Selbst so betagten Schlachtrössern wie „Take The A-Train“, „Caravan“ oder „Sweet Georgia Brown“ entlockt Joscho Stephan, bravourös begleitet von seinem Vater Günther Stephan an der Rhythmusgitarre, Max Schaaf am Kontrabass und Sebastian Reimann an der Violine, jede Menge Überraschendes. Kein typischer Djangologist, ein Gitarrist mit eigenem Stil und Gefühl, musikalischer Handschrift und individueller Stimme an seinem Instrument, vertraut und doch in jeder gespielten Note neu, aufregend, spannend, ein bisschen nostalgisch und gleichzeitig absolut up to date! Nonchalant und elegant, schneeflockenleicht und funkenstiebend erweckt Joscho Stephan den Geist Django Reinhardts, eben weil er dessen Spiel nicht repetiert, sondern mit Herz und Seele weiter entwickelt in unsere Tage. Gar nicht brav! Aber so geht’s auf!