Johnny O’Neal, Jazzpianist aus New York, ist sichtlich beeindruckt. Er habe schon viel von diesem „famous German Birdland Jazzclub“ gehört und sich immer gewünscht, dort aufzutreten. Nun hat er es endlich geschafft und gibt zusammen mit dem Kontrabassisten Mark Lewandowski und dem Schlagzeuger Piero Alessi sein Neuburg-Debut.
Sofort legt er los, lässt seine Finger federleicht über die Tasten gleiten, hämmert dann wieder schwere Akkorde ins Elfenbein, lässt sich hinreißen zu übermütigen Sprüngen und unerwarteten Eskapaden, verschärft das Tempo, verzögert, bremst ab. Seine Dynamik ist in der Tat beeindruckend. „This is a very good piano“, sagt er anerkennend. Ja, das stimmt, aber er ist auch ein sehr guter Pianist, der das Instrument mit großer Raffinesse spielt, sich als Musiker outet, der alle Tricks kennt und zudem jede Menge Sinn für Humor hat.
O’Neal ist ein Mann der vielen Gesichter. Entertainer, versierter Jazzpianist, Interpret und Sänger von einschlägigen Balladen. Er ist im Blues ebenso zuhause wie im Bereich des Gospel, jenes Genres, mit dem er erste Erfahrungen in seiner Geburtsstadt Detroit machte. Er schreibt selber Stücke, etwa die Komposition „Sweet Monk“, die er seinem Mentor Thelonious Monk widmet. Er gibt als Solopianist einen ebenso gute Figur ab wie als Chef seines Trios und weiß, wie man Stücke von Kollegen reizvoll covert – bekannte wie „Neal Hefti’s „Lil‘ Darlin“ und nicht so bekannte wie „Henri Mancini’s „Lujon (Slow Hot Wind)“ oder Mel Thormé ’s „Born To Be Blue“ – und wie man Passagen aufpeppt, in dem man die komplette Band zum Schweigen verdonnert und die Nummer nur mit Scatting, Fingerschnipsen und gehörig Augenzwinkern vorantreibt.
O’Neal hat genügend Bühnenerfahrung, um seine vielfältigen Talente in geballter Form über fast zwei Stunden so einzusetzen, dass es dem Zuhörer nicht vorkommt, als geschähe dies wahl- oder ziellos. Wer mit Gospel und Blues aufwuchs, dann mit Johnny Stitt, den Jazz Messengers von Art Blakey, Nancy Wilson, Lionel Hampton und Benny Golson arbeitete, der weiß, dass es mehr als eine Form schwarzer Musik gibt, und ist notgedrungen geprägt von unterschiedlichsten Einflüssen. Und er kann seinem Publikum gegenüber Herzlichkeit zeigen, die nicht gespielt ist, und trotzdem gleichzeitig professionell bleiben. Das Auditorium im Birdland zumindest hat er bereits mit den ersten Akkorden und den ersten gesungenen Zeilen am Haken. Und er lässt es den restlichen Abend über auch nicht mehr los.
Ja, der Abend macht ganz einfach Spaß, O’Neal und seiner Band auf und dem Publikum vor der Bühne. Vielleicht auch gerade deswegen in ganz besonderem Maße, weil alle Beteiligten das Damoklesschwert eines möglichen erneuten Lockdowns deutlich im Nacken spüren. Man weiß nicht, wie es im Einzelnen weitergehen wird. Diese Situation muss man hinnehmen. Aber man kann sich ja zumindest schon mal auf die 2G plus-Regel einstellen, die auch im Birdland gilt, und sich über die ständig aktualisierte Homepage www.birdland.de über etwaige Programmänderungen informieren.