Zum Abschluss des Konzertjahres 2021 hat Birdland-Chef Manfred Rehm noch einmal alle Register gezogen mit der Verpflichtung des Trios um den Ausnahme-Schlagzeuger Bill Stewart, der in Neuburg ja beileibe kein Unbekannter ist. Mit John Scofield und Larry Goldings war er bereits auf Betreiben Rehms hier zu Gast, beide Male allerdings in der Rolle des Sideman.
Nun hat er also sein eigenes Trio mit ins Kellergewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke gebracht. Den Kontrabassisten Larry Grenadier kennt man aus den Bands von Brad Mehldau und Pat Metheny, in der auch Stewart spielte, Walter Smith III stand mit seinem Tenorsaxofon bereits in Diensten von Herbie Hancock und Wayne Shorter. Eine überaus illustre Truppe also, die da in Neuburg musikalisch unterwegs ist, vor allem mit Stücken aus der Feder Stewarts, dem mit einer markanten Bassfigur als Basis versehenen „Think Before You Think“, dem rasanten und kraftvollen „Squid“ und dem entspannten „How Long Is Jazz“. Dazu noch zwei Standards, wobei die Ballade „Ask Me Now“ von Thelonious Monk einen besonders nachhaltigen Eindruck hinterlässt.
Auffällig ist, dass die Band ohne eigentliches Harmonieinstrument auskommt und trotzdem einwandfrei funktioniert. Das liegt unter anderem an einem Konzept, bei dem perfekte Arbeitsaufteilung besonders wichtig ist. Grenadier’s Kontrabass hält absolut zuverlässig die Spur, das ansonsten äußerst agile Saxofon arbeitet bei Bedarf durch lange tiefe Töne mit am harmonischen Fundament, und sogar Stewart selbst trägt dazu bei, indem er seiner durchaus überschaubaren Ansammlung von Trommeln und Becken immer wieder auch melodische Aspekte entlockt.
Stewart ist weder ein Vielspieler noch ein Showdrummer. Seine Stärke liegt darin, mit relativ sparsamen, aber eminent wirkungsvoll eingesetzten Mitteln das Optimale zu erreichen. Er ist der Impulsgeber, der eine Komposition mit ein paar gezielt eingesetzten Patterns in eine völlig neue Richtung lenken kann, derjenige, der sofort auf die Ideen seiner Kollegen reagiert oder anders herum ihnen neue Varianten anbietet. Schlagkraft und vordergründige Wirbelei sind seine Sache nicht. Er ist vielmehr der Mann für die schwebenden, elastischen, flirrenden Grooves, die aber dennoch so eindringlich sind, dass sie einen als Zuhörer magisch in ihren Bann ziehen. Diese Eigenschaft machte ihn zum idealen Partner für Scofield, Metheny und Joe Lovano, aber auch von Leuten wie Maceo Parker, die es gerne etwas heftiger haben. Und natürlich an diesem Abend für Larry Grenadier und Walter Smith III, die er als gleichberechtigte Partner sieht. Er ist zwar der Chef dieses Trios, aber er dominiert es nicht.
Stewart ist ein Musterbeispiel für absolute Präzision, eine Art personifiziertes Metronom sozusagen, aber zugleich eben auch der lebendige, pulsierende Lebensnerv dieser Band, das Uhrwerk und gleichzeitig der in höchstem Maße kreative Ideengeber. Was schade ist: Wegen der derzeitigen Sperrzeitregelung ist bereits um zehn Schluss. Weil trotz der im Birdland akribisch eingehaltenen 2G plus-Regel nach 22 Uhr plötzlich das Infektionsrisiko steigt? – Das muss man akzeptieren, verstehen muss man es nicht.