Bill Stewart Trio | 10.12.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Zum Abschluss des Konzertjahres 2021 hat Birdland-Chef Manfred Rehm noch einmal alle Register gezogen mit der Verpflichtung des Trios um den Ausnahme-Schlagzeuger Bill Stewart, der in Neuburg ja beileibe kein Unbekannter ist. Mit John Scofield und Larry Goldings war er bereits auf Betrei­ben Rehms hier zu Gast, beide Male al­lerdings in der Rolle des Sideman.

Nun hat er also sein eigenes Trio mit ins Kellergewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke gebracht. Den Kontrabas­sisten Larry Grenadier kennt man aus den Bands von Brad Mehldau und Pat Metheny, in der auch Stewart spielte, Walter Smith III stand mit seinem Tenor­saxofon bereits in Diensten von Herbie Hancock und Wayne Shorter. Eine über­aus illustre Truppe also, die da in Neu­burg musikalisch unterwegs ist, vor al­lem mit Stücken aus der Feder Stewarts, dem mit einer markanten Bassfigur als Basis versehenen „Think Before You Think“, dem rasanten und kraftvollen „Squid“ und dem entspannten „How Long Is Jazz“. Dazu noch zwei Stan­dards, wobei die Ballade „Ask Me Now“ von Thelonious Monk einen besonders nachhaltigen Eindruck hinterlässt.

Auffällig ist, dass die Band ohne ei­gentliches Harmonieinstrument aus­kommt und trotzdem einwandfrei funktio­niert. Das liegt unter anderem an einem Konzept, bei dem perfekte Ar­beitsaufteilung besonders wichtig ist. Grenadier’s Kontrabass hält absolut zu­verlässig die Spur, das ansonsten äußerst agile Saxo­fon arbeitet bei Bedarf durch lange tiefe Töne mit am harmonischen Fundament, und sogar Stewart selbst trägt dazu bei, indem er seiner durchaus überschauba­ren Ansammlung von Trom­meln und Be­cken immer wieder auch melodische As­pekte entlockt.

Stewart ist weder ein Vielspieler noch ein Showdrummer. Seine Stärke liegt darin, mit relativ sparsamen, aber emi­nent wirkungsvoll eingesetzten Mitteln das Optimale zu erreichen. Er ist der Im­pulsgeber, der eine Komposition mit ein paar gezielt eingesetzten Patterns in eine völlig neue Richtung lenken kann, derje­nige, der sofort auf die Ideen seiner Kol­legen reagiert oder anders herum ihnen neue Varianten anbietet. Schlagkraft und vordergründige Wirbelei sind seine Sa­che nicht. Er ist vielmehr der Mann für die schwebenden, elastischen, flirrenden Grooves, die aber dennoch so eindring­lich sind, dass sie einen als Zuhörer magisch in ihren Bann ziehen. Diese Ei­genschaft machte ihn zum idealen Part­ner für Scofield, Metheny und Joe Lova­no, aber auch von Leuten wie Maceo Parker, die es gerne etwas heftiger ha­ben. Und natürlich an diesem Abend für Larry Grenadier und Walter Smith III, die er als gleichberechtigte Partner sieht. Er ist zwar der Chef dieses Trios, aber er dominiert es nicht.

Stewart ist ein Musterbeispiel für abso­lute Präzision, eine Art personifiziertes Metronom sozusagen, aber zugleich eben auch der lebendige, pulsierende Le­bensnerv dieser Band, das Uhrwerk und gleichzeitig der in höchstem Maße krea­tive Ideengeber. Was schade ist: Wegen der derzeitigen Sperrzeitre­gelung ist be­reits um zehn Schluss. Weil trotz der im Birdland akribisch eingehal­tenen 2G plus-Regel nach 22 Uhr plötzlich das Infek­tionsrisiko steigt? – Das muss man ak­zeptieren, ver­stehen muss man es nicht.