John Scofield meets the Pablo Held Trio | 08.05.2015

Neuburger Rundschau | Barbara Sagel
 

Sprache kann musikalisches Erleben nur unzureichend beschreiben, sonst wäre sie selbst Musik. Dieser Mangel ist bedauerlich angesichts der außerordentlich großen Ausdruckskraft des Konzertes von John Scofield mit dem Pablo Held Trio am vergangenen Freitag im ausverkauften Birdland. Ein Konzert, das es verdient hätte, jedem Leser eins zu eins näher gebracht zu werden. Doch wenn Sprache auch nicht gleich Musik ist, so kann Musik durchaus sprechen. Das ist keine neue Erkenntnis, sie wurde aber von John Scofield bereits im Intro zum ersten Stück („Pretty Out“ von Scofield selbst) auf der Bühne des Hofapothekenkellers auf das Schönste belegt. Der amerikanische Gitarrist, der seit den 70er Jahren das weltweite Geschehen im Jazz-Rock Fusion Bereich maßgeblich mitgestaltet, gab zunächst einen impressionistisch geprägten Ausblick auf das Kommende. Akkorde, angenehm verzerrt, verzogen, einzelne Töne, wie Ideen, Läufe, Linien, Folgen, jäh unterbrochen, um die Richtung zu wechseln, andere Wege zu probieren, spannend, minutenlang. Und gleich ist er da, der spezielle Scofield Sound. Klare Einzeltöne, leicht schrappende, übersteuerte, Akkorde auf der halbakustischen Ibanez. Der besondere Reiz: Jazz, der den Blues, den Rock nie verleugnet, nie akademisch wirkt, immer emotional. Scofield dominiert die Bühne, das Trio hält sich zurück. Pablo Held, der auch mit eigenen Kompositionen zum Programm beiträgt, lässt den Flügel entspannt schweigen. Jonas Burgwinkel wird am Drumset dezent rhythmisch aktiv. Robert Landfermann bringt den Stand-Up-Bass zum Klingen. Irgendwann die ersten Statements Pablo Helds auf den Tasten seines Instrumentes. Irgendwann, bald, findet sich das Trio, übernimmt die Dominanz auf der Bühne, der alte Meister steckt zurück, lässt die jungen Musiker – allesamt in den 80er Jahren geboren – glänzen. Und das tun sie, mit ganz außergewöhnlicher Brillanz, Selbstverständlichkeit, Virtuosität und Reife. Die drei Musiker aus Nordrhein-Westfalen, alle in Köln studiert, klingen – im Gegensatz zu Scofield – klar nach Jazz, so, wie man es von einem Jazztrio erwartet. Doch schnell wird deutlich, dass die drei über das Gewohnte, die Hörerwartung weit hinausgehen. Jazz, ja, aber nicht altbacken, nicht die Suche, das Nachahmen dessen, was in den mittleren Jahrzenten des vergangenen Jahrhunderts gespielt wurde, sondern eine Weiterentwicklung, eine Befreiung. Die „Jungs“ klingen modern. Und – wahrscheinlich ist es eine glückliche Fügung – sie erreichen eine Intensität, eine Dichte im Zusammenspiel, die zuweilen atemberaubend ist und im zweiten Set des Konzertes mit Monks „Straight No Chaser“ ihren energetischen Höhepunkt erreicht. Unerhört groovender Up-Tempo-Swing. Das Trio als musikalisches Wesen. Treibende Becken, dank zart klingender und sich dennoch immer weiter steigernder Impulse. Der Bass, trotz höchster Geschwindigkeit singend, ganz dicht dran. Das Piano – alles klingt leicht – schwebt über diesem Sog aus Rhythmus, begleitet ihn, verschmilzt mit dem atemlosen Ritt. Spätestens jetzt ist jedem klar, warum der Altmeister Scofield, Jahrgang 1951, mit diesem jungen Trio auf Tour ist. Die Lage beruhigt sich – scheinbar. Doch als wäre all dies nicht genug, setzt Scofield ein, setzt den Kontrapunkt,zwingt die Zuhörer – die sich gerade vom unerbittlich ergreifenden Swing erholen wollen – in die Welt des langsam „shuffelnden“ Blues, der bittersüß gedehnten Akkorde, die Grenzen des Zeitlichen auslotend – was soll man sagen? Unbeschreiblich.