John Scofield – Joe Lovano Quartet | 27.10.2015

Neuburger Rundschau | Barbara Sagel
 

Und wieder ist er da, John Scofield, wieder in Neuburg. Wieder gibt der „Olympier des Jazz“ – so nennt ihn ein Autor der Zeit – ein Konzert für den Jazzclub Birdland, wieder einmal im Stadttheater Neuburg. Wieder hat der amerikanische Ausnahmegitarrist ein Trio mitgebracht. Wieder sind sehr viele Zuschauer gekommen und wieder ist alles ganz anders. War John Scofield noch im Frühjahr mit einer sehr jungen, deutschen Formation, dem Pablo Held Trio, in Neuburg zu hören, so hat der zu zahlreichen Stilen kompatible Musiker zu seinem Herbst-Auftritt an der Donau alte Weggefährten mitgebracht: Tenorsaxofonist Joe Lovano und Drummer Bill Stewart. Der Grund (wohl neben der grundsätzlichen Freude am gemeinsamen Spiel): Die beiden Musiker gehören zum Line-up von Scofields jüngster Albumproduktion „Past Present“, deren Kompositionen an diesem Abend – neben ein paar Stücken Joe Lovanos -im Mittelpunkt stehen. Fehlt Bassist Larry Grenadier. Dessen Part am Kontrabass übernimmt auf der Bühne des Stadttheaters ein neuerer Weggefährte Scofields: der Amerikaner Ben Street. Das Intro des ersten Stückes gleicht einem Statement: Entspannung ist nicht das Ziel des Konzertes. Unisono boppen Lovano und Scofield los und werden in ihrem bereits hohen Energielevel von Bill Stewart noch übertroffen, der sein silbern glitzerndes Drumset im besten Sinne hektisch swingend in Bebop-Manier erklingen lässt. Gleicht überhaupt ein Takt dem anderen? Niemals endende Trommelsalven treiben den Beat in unendlichen Variationen voran. Und warum sollte man überhaupt immer auf die Eins spielen, wenn jede Anzahl an Schlägen innerhalb eines Taktes sich doch unendlich teilen lässt und das Ergebnis dieser Division immer neue Zählzeiten hervorbringt? Scofield selbst beweist unterdessen, dass auch genau der gegenteilige Effekt sehr reizvoll sein kann. Warum sollte man überhaupt viele Töne spielen, wenn ganze Noten – nach Scofield-Art leicht schrappend übersteuert – über rasenden Swing gelegt einen ebenso angenehmen Schmerz erzeugen können? Joe Lovano rattert mit fulminantem Saxophon-Sound aufreizende Läufe in das Geschehen, variiert von fett über hauchig zu rockig-rotzig und wieder zurück. Ben Street unterstützt dieallgemeine Dynamik flink-virtuos am Bass, sie gleichzeitig klanglich erdend. Das allerdings, zumindest in der ersten Hälfte des Konzertes, leider etwas zu weit im Hintergrund.

Hier schlägt der Blues durch, da überrascht die rockige Bridge, ein paar der Scofield typischen, impressionistischen, musikalische Räume auslotenden Intros bilden kleine Oasen der Besinnung, und zuweilen wird die Sache ziemlich „free“. Futuristic Blues nennt der Künstler selbst das musikalische Spektrum seines neuen Albums. Als eine Verbindung zwischen Scofields Fusion-Vergangenheit und dem modernen Jazz der Gegenwart bezeichnet die Plattenfirma die neue Produktion. Frage: War Fusion für Scofield jemals Vergangenheit? Antwort: Ist ja eigentlich völlig egal. Hauptsache, er war wieder da, und es war wieder alles anders. Nur einer nicht: John Scofield.

Das Konzert wurde im Rahmen des fünften Birdland Radio Festivals vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet. Sendetermin ist der 20. November um 23:05 Uhr in der Sendung „Jazztime – Jazz auf Reisen“ auf BR Klassik.