John Marshall International Quintet | 10.05.2019

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Mainstream, das ist ein schillernder Begriff. Die so bezeichnete Musik sollte Zuhörern, die sich mit Cool, Dirty oder auch schon mit Modern Jazz schwer tun würden und sich selbst eher nicht als Kenner einordnen würden, auf Anhieb eingängig sein, ihnen also etwas geben. Die zweite Seite der Medaille: Mainstream wirkt manchmal wenig aufregend, nicht wirklich spannend.

Der Auftritt des John Marshall International Quintet im Birdland Neuburg war der schlagende, besser gesagt der unüberhörbare Beweis dafür, dass Mainstream richtig packend und elektrisierend sein kann. Gerade wenn der Basis-Sound aus den 60ern kommt und aus dem Fundus des Bebop, Blues oder Soul schöpft. Bandleader John Marshall (Trompete/Gesang) und sein kongenialer Bläser-Compagnon Chris Byars am Tenorsaxofon hatten mit ihren teuflisch anspruchsvollen und feurigen Bläser-Sätzen das Publikum sofort im Griff. Die beiden US-Amerikaner sind die Chefs im Ring, aber sie profitieren sehr vom hochentwickelten Musikverstand ihrer drei Mitstreiter.

Der armenische Pianist Vahagn Hayrapetyan ist ein Meister des feinen, gerade in der Zurückhaltung eindringlichen Klavierspiels, donnerndes Auftrumpfen hat er nicht nötig. Wenn aber ein virtuoses Solo gefragt ist, zeigt er absolute Präsenz. Der Schweizer Stephan Kurmann verschmilzt fast mit seinem Kontrabass, er reizt die Klangqualität seines nobel und elegant tönenden Instruments in allen Farben aus. In solistischen Passagen wird Kurmann zu einem Erzähler spannender Geschichten, man lässt sich in diese Welt gerne hineinziehen.

Der Fünfte im Bunde, der junge Schlagzeuger Egor Kryukovskikh aus Sankt Petersburg, legt insgesamt mit Feingefühl und Genauigkeit das rhythmische Grundgerüst für die schnellen, aggressiven Songs ebenso wie für die lyrischen, in Richtung Ballade gehenden Stücke. Gelegentlich freilich mutiert der Russe zu einem jungen Wilden und übertreibt es mit der Lautstärke ein wenig.

Ein reines Hörvergnügen sind über den ganzen Abend hinweg die Bläser-Sätze von Trompete und Saxofon. Präszise Intonation ist auch in sehr schnellen Unisono-Passagen über drei Oktaven rauf und runter eine Selbstverständlichkeit, Melodiebögen werden in Ruhe ausgespielt, rhythmische Akzente mit Witz und Leichtigkeit gesetzt. Und diese Qualitäten geben die Generallinie für alle fünf Musiker vor.

Mit John Marshall und Chris Byars sind zudem zwei Meister der dynamischen Abstufung am Werk, im versonnenen Pianissimo genauso überzeugend wie beim Forte-Ausbruch. Titel wie „Fifty second street“, „On my Youth“ oder jener Song, der auf Deutsch „Aufgekratzt“ heißt, werden so zu einem grandiosen musikalischen Kosmos. Mit dem Begriff Mainstream ist diese Musik nur ansatzweise zu erfassen.