John Marshall International Quintet | 10.05.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Was Nationalisten, Revanchisten und die Politik ganz allgemein wohl nie und nimmer schaffen werden, nämlich einer guten Sache wegen gemeinsam an einem Strang zu ziehen, ist für Musiker, speziell für die im Jazz tätigen, kein Problem. Der amerikanische Trompeter John Marshall beispielsweise unterhält mit seinem am Hardbop ausgerichteten „International Quintett“ eine bestens funktionierende Band, in der es nur um eines geht, nämlich um innovative, originelle und spannende Musik und die gemeinsame Liebe zu ihr, wobei Grenzen überhaupt keine Rolle spielen, geografische und politische schon gar nicht.

Beim Konzert im Neuburger Birdland Jazzclub nimmt er sich zusammen mit seinem Landsmann, dem Tenorsaxofonisten Chris Byars, dem Bassisten Stephan Kurmann aus Basel, dem Pianisten Vahagn Hayrapetyan aus dem armenischen Eriwan und dem Schlagzeuger Egor Kryukovskikh aus Sankt Petersburg vor allem jene Stücke aus der Jazzliteratur vor, die nicht mal so sehr wegen ihrer kompositorischen Bedeutung auffallen, sondern vor allem wegen ihrer Arrangements. Da Marshall wie auch sein Kollege Chris Byars selbst als Arrangeure – ersterer jahrelang für die WDR-Big Band“ – tätig sind, legen sie die Stücke des Abends quasi für die Bläserabteilung einer Big Band an, die in vorliegendem Fall jedoch nur aus zwei Musikern besteht. Das Ergebnis ist hochinteressant, denn eine Gewichtung wie diese zwischen festgelegten und improvisierten Teilen, zwischen Struktur und Freiheit ist für eine Hardbop-Band ja nicht unbedingt typisch.

Tadd Dameron, der einst für John Coltrane, Kenny Dorham und Dizzy Gillespie arbeitete, ist Marshalls erklärtes Vorbild als Arrangeur, während er als Trompeter durchaus Nähe zu Gillespie verrät. Nach einem überaus schwungvollen aber letztendlich doch noch nicht komplett mitreißenden Beginn ist Marshalls Eigenkomposition „The Saint Petersburg Junction“ kurz vor der Pause die Initialzündung. Jetzt laufen die Bläser zu großer Form auf, der Mann am Flügel legt sich mächtig ins Zeug und Egor Kryukovskikh präsentiert sich als sensationell guter Drummer, der die schwierigsten Figuren wie nebenbei und scheinbar ohne jede körperliche Anstrengung aus dem Handgelenk schüttelt. Die brüchige Ballade „Blame It On My Youth“, bei der Marshall auch zum Gesangsmikrofon greift, die halsbrecherische Version von Miles Davis‘ „Move“, Kenny Dorham’s unwiderstehlicher Klassiker „Una Mas“: – Jetzt läuft die Band auf Hochtouren, jetzt gibt es immer wieder Applaus auf offener Szene.

Und wo die Musiker einst geboren wurden, welchen Pass sie mit sich führen und welcher Nationalität sie angehören, ist dabei völlig einerlei. Die gleiche Sprache sprechen sie ohnehin, nämlich die der gemeinsamen Musik. In dieser Hinsicht sind sie den Mächtigen dieser Welt weit voraus.