Johannes Enders Quartet | 11.03.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wenn es darum geht, sich vor Musikern zu verbeugen, die ihn maßgeblich beeinflusst haben, verfügt der Tenorsaxofonist Johannes Enders über Erfahrung. Zu Beginn seiner Kar-rie­re standen John Coltrane und Mi­chael Brecker ganz oben auf seiner Liste, so­bald er jedoch Gefahr lief, sich von ih­nen zu sehr dominieren zu lassen, suchte er Abstand nach der Devise: Huldigun­gen sind schön und gut, aber bitte in ei­gener Sprache, mit ei­genen Noten und vor allem eigener Note.

Die hat er längst gefunden, wie man beim Konzert im Birdland Jazzclub, das er zusammen mit seinem international besetzten Quartett aus dem Pianisten Jean-Paul Brodbeck aus Zürich, dem Kontrabassisten Joris Teepe aus Amster­dam und dem in Graz lebenden Schlag­zeuger Howard Curtis aus Washington D.C. ablesen kann. Sein geradliniger Stil passt hervorragend zu dem erquicklichen Tiefgang, mit dem er sich wohltuend ab­setzt von all denen unter seinen Kolle­gen, für die vor allem Geschwindigkeit und Akrobatik im Vordergrund stehen. Was selbstredend überhaupt nichts aus­sagen soll über seine technische Brillanz. Über die verfügt er und die ist auch von­nöten, beschäftigt er sich doch mit sei­nem Album „Sweet Freedom – A Tribute To Sonny Rollins“ und auch in der ersten Halbzeit des Konzerts mit einem der ganz Großen, mit Sonny Rol­lins, mit dessen „Mostly Sonny“, mit „With A Little Help Of The Sun“ und dem aus der Verschmelzung zweier Standards – Har­ry Warren und Thelonious Monk lassen grüßen – neu entstandenen „There Will Al­ways Be Another Mystery“.

Und weil das so überaus gut gelingt, die Hochachtung vor dem legendären Urahn spürbar aber gleichzeitig deutlich die ei­gene Note erkennbar ist, widmet sich die Band im späteren Verlauf mit „Black Nile“ auch noch dem kürzlich verstorbe­nen Wayne Shorter, an dessen Improvi­sationsstil der von Enders ab und zu er­innert, mit „The Creator Has A Plan B“ seines Tenor-Kollegen Pharoah San­ders, dessen Tod ebenfalls erst ein halbes Jahr zurück liegt, und schließlich mit „Sir Oliver“ des Pianisten Oliver Kent. Und bevor es in die vom Publikum heftig ein­geforderte Zugabe geht, bringt er die noch nicht veröffentlichte Komposition „No War“, mit der er auf seine Art Stel­lung nimmt zu den aktuellen politischen Ereignissen.

Das ist der derzeitige Stand der Dinge bei Johannes Enders. Nachdem er sich an seinem selbst gewählten Platz im deutschen Jazz dermaßen wohlzufühlen scheint, kann es gut sein, dass er sich in Kombination mit seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für Mu­sik und Theater in Leipzig darauf länger­fristig häuslich nie­derlässt. Andererseits war der Mann im­mer hungrig nach Neu­em. Frühe Kontak­te zu den wie er im oberbayerischen Weilheim beheimateten „The Notwist“, Flirts mit dem Rocklager und dem Be­reich des Electojazz und bei Bedarf das Entwerfen elektronischer Ef­fekte und der Umstieg aufs Keyboard ge­hören nämlich ebenso zu seiner Biografie wie die Be­schäftigung mit dem Modern Jazz an diesem Abend im Birdland. – Bei aller Verlässlichkeit, all der Glaubwürdigkeit und all der Souveränität, die den Abend kennzeichnen, bleibt es also immer span­nend mit ihm. Womit ja ein wesent­liches und generelles Kriterium des Jazz schon mal erfüllt wäre.