Joerg Widmoser – Stephan Holstein Quintet
„The Music Of Charlie Parker“ | 03.10.2020

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Die Lust der Musiker, nach etlichen Monaten Live-Verzicht endlich wie­der auf der Bühne zu stehen, war vom ersten Ton an spürbar. Charlie Parkers »Yardbird Suite« zwitscherte nur so ins Gewölbe des Neuburger Jazzkellers. Zum 100. Geburtstag des stilprägenden Altsaxophonisten ließ ein quirlig aufspielendes Quintett die Unbilden fast vergessen, mit denen das Jahr 2020 aufwartet.
Der Mitbegründer des Bebop stand Pate für ein Konzert von besonderem Spi­rit. Die typische Frontline aus Trompete und Saxophon kam indes nicht zum Zuge. In so überaus apartem wie authentischem Zusammenklang ergänzten sich vielmehr die Geige von Jörg »Dizzy« Widmoser und Stephan »Charlie« Hols­tein, beide allemal geeignet, die quicklebendige Energie des Bebop in die Gegenwart zu tragen.
Jene Musik, die Anfang der vierziger Jahre des 20 Jahrhunderts eine musi­kalische Revolution auslöste, ist heutigen Hörgewohnheiten inzwischen wohl vertraut. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie eine Anekdote aus dem Musi­kerleben Stephan Holsteins im Schweizerischen Neuchatel zeigt: Der dortige Veranstalter reagierte auf Parkers »Scrapple From The Apple« mit dem em­pörten Kommentar: »Wir haben für Dixieland bezahlt!«
In Neuburg natürlich kein Thema! Schließlich ist der Club nach dem New Yorker Birdland benannt, das sich mit seinem Namen wiederum auf Charlie »Bird« Parker bezieht. Man ist also förmlich wahlverwandt mit dem sei­nerzeit so modernistischen Saxophonisten. Der durfte übrigens, so übel spielt das Leben zuweilen, den New Yorker Club aufgrund seiner Drogen­krankheit später selbst nicht mehr betreten.
Mit brillantem Schwung und eleganter Phantasie brachten Holstein und Wid­moser, begleitet von Tizian Jost am Piano, Thomas Stabenow am Bass und Walter Bittner am Schlagzeug Unsterbliches auf die Bühne des Neuburger Clubs: »Confirmation« etwa, »Donna Lee« oder »Anthropology«, in mitreißen­der Verve, auch das das seltener gespielte »Moose The Mooche« dazu Balla­den wie »Lover Man« und »My Old Flame«. Bird im Birdland, authentisch, putzmunter, live! Herz, was willst Du mehr?