Joerg Widmoser – Stefan Holstein Quintet
„The Music Of Charlie Parker“ | 03.10.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Im August 2020 wäre der Altsaxofonist und Komponist Charlie Parker, Spitzname „Bird“, 100 Jahre alt geworden. Seine Bedeutung als Initiator des Bebop und damit überhaupt des Modern Jazz als komplett neue Richtung des gesamten Jazz-Genres nach der Ära des Swing ist gar nicht hoch genug anzusetzen. Seine letzten Konzerte gab er im legendären, nach ihm benannten, „Birdland“ in der 52. Straße in New York City. Und der wiederum stand Pate bei der Namensgebung des Neuburger Birdland-Jazzclubs im Jahre 1958.

Ein Geburtstag muss gefeiert werden. Dies tun an diesem Abend fünf Herren, die Parker nicht nur verehren, sondern auch aufs trefflichste mit dessen Musik umzugehen wissen. Eigentlich müssten ja an einer Hommage dieser Art wie auch auf den alten Aufnahmen ein Altsa­xofonist und ein Trompeter beteiligt sein, aber es geht hier nicht um Repro­duktion, sondern um Originalität im Um­gang mit dem kostbaren Erbe. Deswegen hat sich Stefan Holstein für die Klarinet­te entschieden, den vom Modern String Quartet bekannten Geiger Joerg Widmo­ser ins Boot geholt und mit dem Pianis­ten Tizian Jost, dem Kontrabassisten Thomas Stabenow und dem Schlagzeu­ger Walter Bittner die bayerische Jazzeli­te für das Projekt verpflichtet.

Das Konzert startet überaus intensiv, nämlich mit der „Yardbird Suite“ und mit „Confirmation“, und die Band sorgt dafür, dass diese Intensität während der gesamten beiden Sets auch nicht eine Se­kunde nachlässt. Der Druck, den die Herren aufbauen, ist enorm. Das halsbre­cherische Tempo und die Changes bei „Anthology“, das von Jost am Piano so herrlich mit Zitaten angereicherte „Qua­simodo“ auf der Basis von „Embracea­ble You“, das rhythmisch verzwickte „Donna Lee“ – ein Highlight jagt das an­dere. Und dann die Balladen. Angesichts der hinreißenden Version von Parker’s „Lover Man“ darf man durchaus fragen, ob man diese Ballade überhaupt schöner spielen kann als Stefan Holstein an die­sem Abend. Die Band ist in bester Stim­mung, feuert sich selbst immer wieder an, will es hier und jetzt ganz einfach wissen, läuft zu ganz großer Form auf. Und das Publikum ist hingerissen.

Derzeit werden ja anscheinend ver­mehrt die Säulenheiligen des Jazz ge­würdigt, neu interpretiert und kreativ „bearbeitet“. Auch im Programm des Birdland nach der durch den Lockdown verursachten Zwangspause ist dieser Trend zu beobachten. Nach Duke Elling­ton, Louis Armstrong und Django Rein­hardt nun also Charlie Parker. Überra­schend ist dabei immer wieder, wie brandaktuell der einstige kompositori­sche Output dieser Giganten des Jazz auch heute noch ist, wenn er nur richtig aufbereitet wird. Man kennt zwar die eine oder andere Melodie, was erst mal durchaus beruhigend ist, aber man weiß eben doch nie im Voraus, was die Enkel und Urenkel der Gewürdigten aus ihr machen. Das ist das Spannende. Der Fall  „Bird im Birdland“ ist der beste Beweis dafür. Was für ein herrlicher Abend!