feat. Angela van Rijthoven | 20.04.2023
Wer mit dem Posaunisten und Sänger Joe Wulf einen der letzten echten Bandleader des deutschen Swing live erleben möchte, hat immer dann Gelegenheit dazu, wenn jener mit seiner Bigband „Joe Wulf & His Orchestra“ oder mit seinem Septett „Joe Wulf & The Gentlemen Of Swing“ auf einer Bühne steht.
An diesem Abend ist er im Audi Forum zu Gast mit der zuletzt genannten Formation, zu der einige der besten Swing-Musiker hierzulande gehören, der Trompeter Ralf Himmler, Peter Finken am Sopran-, Tenor- und Baritonsaxofon, Klarinettist Bert Brandsma, Frank Ludwig an Banjo und Gitarre, Jochen Schaal am Kontrabass und Bernard Flegar am Schlagzeug. Die Zeichen stehen damit also eindeutig auf ein klein wenig angestaubten, bestens bekömmlichen traditionellen Jazz, wofür ihn sein Publikum liebt, für einen Hauch von Blues und Dixieland, für einen vergnüglichen Abend also, für 90 Minuten Kurzweil mit Niveau, weil Wulf zudem ja auch noch ein humorvoller Entertainer ist.
Der Abend beginnt mit „When The Saints Go Marching In“, „Down By The Riverside“ und „That’s Why I Like New Orleans“. Diese scheinbar unverwüstlichen Evergreens hat vermutlich jeder im Saal mindestens hundert mal gehört. Warum also ausgerechnet diese Songs? Und noch dazu in dermaßen dicht gedrängter Form? Sie werden goutiert, aber eher verhalten beklatscht.
Mitte des ersten Sets freilich betritt mit der niederländischen Sängerin Angela Van Rijthoven eine Persönlichkeit die Bühne, mit deren Erscheinen sich die Lage komplett ändert. Die Band bekommt gehörig Schub, auf einmal ist die zu Beginn noch schmerzlich vermisste Spritzigkeit vorhanden und mit „“The Rose Of Washington Square“, „Marry A Rich Woman“ und „My Sister Kate“ komm jetzt auch Material zum Einsatz, das man nicht schon in- und auswendig kennt.
Van Rijthoven hat Ausstrahlung, Charisma. Wenn sie auf der Bühne steht, treten automatisch alle anderen in den Hintergrund. Souverän bewegt sie sich zwischen den Rollen der frechen Chanteuse, der sympathischen Entertainerin und der unnahbaren Diva. Und weil sie außerdem über eine kräftige, absolut sichere und zudem ausdrucksstarke Stimme verfügt, die auch schwierige Passagen mühelos meistert und in „Lullaby in Ragtime“ und „A Simple Song“ sogar Wulf als Duettpartner in den Schatten stellt, ist sie eindeutig die Hauptfigur des Abends. Dass es am Ende zu zwei Zugaben kommen würde, was zu Beginn des Konzerts nicht zu vermuten war, geht eindeutig auf ihr Konto.
Was wieder einmal belegt, dass Musik, die aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt, also schon einige Jährchen auf dem Buckel hat, nicht automatisch altbacken sein muss. Es liegt immer an der Art der Präsentation, an dem, was man aus ihr macht. Und ab und zu, so wie in diesem Fall, gibt’s ein Aha-Erlebnis sogar bei denen, die bereits jede Nuance ihres Lieblings-Genres zu kennen glauben. „It’s A Good Day“ singt Van Rijthoven in der Mitte des zweiten Sets. Ja, in der Tat sorgen Band und Sängerin dafür, dass es denn auch ein solcher wird. Woran Angela Van Rijthoven eindeutig den größten Anteil hat.