Kein zeitgenössischer Vibraphonist swingt mit mehr Seele als Joe Locke, so beschrieb es die Seattle Times vor einiger Zeit. Dass dieser Ausspruch wahr sein dürfte, davon konnte sich am Samstag das Publikum im Birdland überzeugen. Zudem durften die Zuhörer im alten Apothekenkeller diese Erkenntnis als außerordentlich erfreuliche musikalische Erfahrung genießen. Und wenn man nach diesem Konzert auch davon ausgehen kann, dass Joe Locke sein Publikum für längere Zeit ganz solistisch sowohl musikalisch als auch erzählerisch unterhalten könnte, so waren doch an diesem Abend drei weitere Musiker und Virtuosen auf ihren Instrumenten nicht unmaßgeblich am Erfolg der Sache beteiligt. Der aus Philadelphia stammende Darryl Hall zeigte am Kontrabass beispielhaft, welche Rolle sein Instrument in der Jazzmusik spielen sollte. Bereits im ersten Stück demonstrierte der vielseitige Bassist in einem fulminanten Solo wie man Rhythmus, rasanten Swing, harmonisches Fundament und kreative melodiöse Gestaltung perfekt in Einklang bringt.
Drummer Alyn Cosker legte ebenfalls bereits im ersten Titel die Messlatte hoch. Und dem Schotten gelang es scheinbar ganz ohne Mühe, den selbst gesetzten Standard während des gesamten Abends zu erfüllen und mit spannenden Soli, mit überraschenden Wendungen, mit geschmeidigen Taktwechseln, mit auf der Snare-Drum rollend eingeleiteten Kicks und Fills hier und da noch zur Begeisterung des Publikums zu übertreffen. Am Flügel hatte Danny Grissett Platz genommen, wie Joe Locke in der New Yorker Jazz Szene zu Hause. Grissett bewegte die Tasten seines wohlklingenden Instrumentes in vielen Momenten in wunderbarer musikalischer Kommunikation mit dem Vibraphon-Spiel Joe Lockes, dessen Kompositionen übrigens die überwiegende Zahl der Stücke des Programms ausmachten.
Locke selbst fesselte die Zuhörer mit außerordentlich energiegeladenem, dynamischen und das Zitat oben deutet es an beseeltem Spiel. Schafft doch der Sound des Vibraphons ohnehin eine ganz spezielle Atmosphäre, so wurde diese im Birdland durch die Persönlichkeit Joe Lockes noch positiv verstärkt. Gleichzeitig aber ließ der aus Kalifornien stammende Musiker der musikalischen Individualität seiner Ensemblemitglieder reichlich Raum, ihrerseits in den Vordergrund zu treten, was insgesamt zur Freude der Besucher zu einem Jazz-Konzert der Extraklasse führte.