Joe Kienemann Trio | 12.02.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Dieses leicht und lässig, wie selbstverständlich swingende Jazzfeeling kann man nicht lernen. Entweder man hat es oder eben nicht. Joe Kienemann hat’s, wie er im Birdland Jazzclub in nasskaltem Februar einmal mehr herzerwärmend unter Beweis stellte.

Seit er beim Bayerischen Rundfunk wohlverdient entpflichtet ist, kann Joe Kienemann seiner großen musikalischen Liebe um so mehr frönen. Dass Jazzpiano hat es ihm von je her angetan, in allen Lebenslagen fand und findet er Gelegenheit zu spielen. Dabei kennt er nicht nur die Standards des Great American Songbook aus dem Eff-Eff: Gershwins „But Not For Me“ oder „My Ship“ des vor den Nazis geflohenen Kurt Weill: „Es würde mehr deutsche Jazzstandards geben, wäre diese unselige Zeit nicht gewesen.“ In originellen Adaptionen rückt er den Klassikern zu Leibe: „All the Bees You Bop“. Kienemanns pianistische Sprache setzt auch in seiner eigenen „Gospelette“ auf die leisen Zwischentöne, die harmonischen Nuancen, die Feinheit des Anschlags, die Maxime des swing. Großen Reiz entfalten seine Jazzinterpretationen von altem deutschem Liedgut – „die Standards meiner Kindheit“: „Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn“ oder „Das Mädchen beim Tanze“. Und selbst das alte Betroffenheitspflichtstück „Sag mir, wo die Blumen sind“ klingt in keinster Weise abgedroschen im Kontext eines Trios, das sich auszeichnet durch ein hohes Maß an differenzierter Feinfühligkeit. Mit Henning Sieverts am Bass, der sich mehr und mehr zum erstklassigen Allroundspieler entwickelt, und dem sensitiv pulsierenden Bastian Jütte am Schlagzeug hat Kienemann ein Trio zusammengestellt, dem zuzuhören Spaß macht: „Come Be or Come Bop“.
Nota Bene: Es heißt schon was, wenn der langjährige Jazzchef des Bayerischen Rundfunks aus Münchener Perspektive die Neuburger öffentlich um ihren Jazzclub und dessen Präsidenten beneidet: „Da habt’s Glück in Neuburg. So Einen haben wir in München nicht.“