Belmondo – das assoziiert auf Anhieb die berühmteste Knollennase der Filmgeschichte. Und Begriffe wie Windhund, Teufelskerl, Greifer, Stritzi, Gauner, schnelle Autos oder Ferrari. So klingt es dann auch: Ein Soundtrack für den großen Preis von Monaco, mit 180 Sachen die Rue Rascasse hinunter, Überrollbügel ausgefahren, verbrannter Gummi, Vollgas.
Die Gebrüder mit dem berühmten Namen drücken bei ihrem Debüt im Neuburger „Birdland“-Jazzclub wirklich mächtig auf die Tube. So als ginge es um eine dieser sinnleeren Männerwetten: Wer ist die schnellste, die draufgängerischste Neobop-Band Europas? Hoher Spaßfaktor inklusive. Und auch das Preis-Leistungsverhältnis stimmt allemal. Der Einsatz der Belmondos für die gute Sache des Jazz besitzt eine hohe körperliche Komponente, wobei erstaunlicherweise über weite Strecken auch die Virtuosität nicht zu kurz kommt.
Es dampft in jedem Titel. Aus den Instrumenten züngeln unaufhörlich Flammen, Das Quintett tunet die Vergaser so extrem auf Tempo, dass nur noch ein Kondensstreifen im Raum stehen bleibt. Vieles ist atemberaubend, spektakulär und erfrischend, alles spielt sich am obersten Rand der Intensität ab. Ein kollektives Bad in glühend heißer Lava für Musiker und Publikum gleichermaßen, in dem vor allem Stéphane Belmondo als gischtartige Schaumkrone hervorsticht.
Selbst im Talentemeer Amerika gibt es derzeit keinen Trompeter, der konstant auf einem derart hohen energetischen Level bläst. Stéphanes Soli halten sich nicht mit langen Umschweifen auf und beginnen gleich mit dem Höhepunkt, den der bullige Franzose dann mitunter auf satte fünf Minuten ausdehnt. High Notes, Growls, Attacken, funkelnde Blitze: Sein Spiel vereint filigrane Technik mit hemmungsloser Urgewalt. Als ob Sir Simon Rattle einen Boxkampf über 15 Runden bestreiten würde.
Bruder Lionel entfacht derweil hell lodernde Saxofon-Girlanden; ein fauchendes Amalgam aus Skalen, rhythmischen Schichtungen, brünftigen Licks und hinreißenden Richtungsänderungen. Im Geiste gehören Pianist Laurent Fickelson und Drummer Laurent Robin sowieso schon längst zur Familie. Der Tastendrücker knüpft flirrende Strukturen von der Dichte eines Spinnennetzes, während der Pulsgeber des Ensembles eine markante Erklärung dafür abliefert, wie der Begriff „Schießbude“ für sein Instrument entstand. Robin, vollgepumpt bis zur Halskrause mit Adrenalin, zerlegt fast das Schlagzeug, prügelt, drischt darauf ein. Eine echte Rampensau mit einem höllischen Groove, aber ohne jegliches Feingefühl. Geschmackssache!
In diesem Soundgewitter tut der elegante Bassist Paul Imm als alleiniger ruhender Pol sein Möglichstes, um die überbordende Aggressivität zu kontrollieren. Dies gelingt ihm vor allem in der gut einstündigen Suite nach der Pause, die viele ruhige, differenzierte Momente birgt, in der Lionel Belmondo einige wunderbar lyrische Querflötentupfer einstreut und in der zumindest im Ansatz so etwas wie Spannungskurven und musikalische Konsistenz zu erahnen sind.
Die Zugabe offenbart jedoch schonungslos die gravierenden Schwächen der französischen „Heizer“. Ein indifferentes, fahriges, völlig in die Hose gegangenes „Round Midnight“, bei dem schnell eines klar wird: Die Belmondos können nur schnell.