Joe Kieneman Trio | 13.09.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

„Amsel, Drossel, Swing und Funk“ – nur ein Radiomoderator, stets auf der Suche nach sprachlichen Finessen und Wendungen, delikat-niveauvollen Alliterationen und aussagekräftigen Metaphern, kann auf solch ein Wortspiel kommen. Joe Kienemann ist Radiomoderator, die Jazz-Stimme des Bayerischen Rundfunks seit vielen Jahren schlechthin. Und gleichzeitig leidenschaftlicher Jazzpianist mit einer erklecklichen Reihe von CD-Veröffentlichungen.

Seine neueste trägt das Wortspiel mit dem alten Gassenhauer im Titel und versteht sich gleichzeitig als Programm: Kienemann, der ewige Unruhegeist, will nicht immer nur auf den ausgetretenen Pfaden des Great American Songbooks lustwandeln und hüpft deshalb mitten in die bunte Wiese bekannter und weniger bekannter deutscher Volkslieder. Eine Seitensprung, der sich wie ein roter Faden durch das Premierenkonzert der neuen Saison im ausverkauften Neuburger „Birdland“-Jazzclub zieht, über den aber eigentlich niemand so recht entsetzt, verblüfft oder begeistert sein kann.

Denn im Gegensatz zu anderen Feldforschern der „German Folksongs“ wie etwa Dieter Ilg oder Till Brönner, bei denen gezielte Tabubrüche zu einem klaren Restaurierungskonzept gehören, um solche Lieder den veränderten Ansprüchen der Gegenwart anzupassen, reicht es dem charmanten Plattenplauderer am Flügel, das Ganze ein wenig zu verswingen. Keine Tonart- oder Tempoexperimente, keine Auflösungen der Melodie. Ganz wie bei Jacques Loussier, der seine Bach-Bearbeitungen immer mit Zuckerguss und Mandelstreuseln serviert, bewahrt Joe Kienemann Stücken wie „Feins Liebchen, du sollst mit nicht barfuß gehen“ oder „Widele, wedele hinter`m Städtele hält der Bettelmann Hochzeit“ ihren beschaulich-harmlosen Charakter.

Da tröpfeln, rieseln, ticken die Läufe dahin, harmonietrunken, romantisch, walzernd, manchmal mit hübschen Wendungen, wohl strukturiert, niemals quer in den Gehörgang eindringend. Die beiden exzellenten Rhythmiker Henning Sieverts am Kontrabass (großer, voller, warmer Ton) und Guido May an den Drums (mit zirkulierenden, fein nuanciertem Groove und viel Fingerspitzengefühl bei der Besenarbeit) können aber ihren Drang nach mehr Reibung nur mühsam unterdrücken.

Einige Male, da hat es den Anschein, als würde Joe Kienemann tatsächlich ein wenig hinter das harmonische Gerüst schielen wollen, nach neuen Wegen suchen und die aufkeimende Dynamik innerhalb des Trios für eine Kurskorrektur nutzen. Aber wer dies für bare Münze nimmt, der verkennt, dass der Mann täglich wie ein Berserker übt und vor jedem Konzert ganz genau weiß, welche Noten er im sechsten Solo kurz nach Viertelelf anschlagen wird. Seine Lesart des Jazz ist im besten Sinne des Wortes kalkulierbar wie ein Radiomanuskript, birgt absolut keine negativen Überraschungen, garantiert Entspannung pur und befördert einen nach einer anstrengenden Arbeitswoche jederzeit auf die sichere Seite.

Ein problemloser Ausflug in die wundersame Welt des vermeintlichen Urwalds Jazz. Bitte immer auf den abgesteckten Wegen bleiben!