Joe Kieneman Trio | 13.09.2002

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Einen Saisonauftakt nach Maß bescherte das Joe Kienemann Trio den Jazzfans im ausverkauften Birdland, dem nach Meinung des weit gereisten Radiomoderators „schönsten und edelsten Jazzclub Bayern“. Die nach dem Motto „Amsel, Drossel, Swing und Funk“ interpretierten deutschen Volksweisen versorgten die Jazzsüchtigen nach der langen Sommerpause mit einer kräftigen Dosis des vermissten musikalischen Stoffs und ließen alle eventuell von Entzugserscheinungen Geplagten unmittelbar aufatmen.

Das Joe Kienemann Trio hat seine Wurzeln durchaus im Great American Songbook, beginnt das erste Set mit „It Could Happen to You“, bringt klassischen Pianotrio Jazz mit Henry Mancinis „Days Of Wine And Roses“ oder Isham Jones „There Is No Greater Love“. Kienemanns eigene „Siciliette“ erzählt von Leichtigkeit und Licht, von mediterranem Flair und lebendiger Lust, seine „Gospelette“ beantwortet die großen Fragen des Lebens mit gelassener Nonchalance. Aber „die Standards meiner Kindheit, die Lieder, mit denen ich aufgewachsen bin, gehören ebenso zu meiner Persönlichkeit“ gesteht der versierte und erfahrene Jazzpianist. Was liegt da näher als beiden Neigungen zugleich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen? Kindheit und Jugend zur verbindenden Synthese zu bringen, dazu gehört andererseits wohl ein Stück weit die Reife der Jahre. Sei es wie es sei, der liebe Mai, der macht die Bäume wieder grün, und „alle Vögel sind schon da“, flugs aus des Knaben Wunderhorn ins 21. Jahrhundert gestartet, bei einem Zwischenstopp im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit jeder Menge Swing versorgt. Dass das „Feinsliebchen“ nicht barfuß gehen soll, ist für einen Verliebten ein durchaus ernstgemeintes Erstreben in der Kargheit des 18. Jahrhunderts, in der „Widele wedele hinterm Städele“ der Bettelmann Hochzeit feiert.

Mit dem feinfühligen Bassisten Henning Sieverts und dem vielseitigen Drummer Guido May stehen Kienemann zwei gleichermaßen profilierte Begleiter zur Seite. Sieverts versteht es elegant zu akzentuieren, einfühlsam zu begleiten, eloquent zu solieren. May knüpft in kleinen feinen Knoten einen reichornamentierten rhythmischen Teppich, der Schönheit und Halt, Struktur und Finesse vereint in dienlichem Spiel. Auch wenn der Frühling im zweiten Set durch den Herbst ergänzt wird – „Bunt sind schon die Wälder“ -, mit solch unverkrampft dargebotenem Liedgut im inneren Gepäck lässt sich der kommenden kühlen Jahreszeit getrost ins Auge blicken. Und Jazz gibt’s ja noch jede Menge in der nächsten Zeit.