Joe Haider 2001 im Neuburger Birdland: vital, integer, wahrhaftig, ganz mit sich im Reinen und absolut auf dem richtigen Weg. Was hat er nicht alles erlebt: Hauspianist im legendären Münchener Domicile in den Sechzigern, eine eigene Bigband in den Siebzigern. Zehn Jahre lang war er danach Professor an der Swiss Jazz School in Bern, wagte in den Neunzigern den Sprung über den großen Teich. Aber: „So schnell haben Sie einen Schwaben noch nicht zurückkommen sehen.“ Zuletzt nach zähem Kampf um die Gesundheit – das Jazzerleben zehrt dann doch an der Substanz – jetzt das Comeback zu einem Zeitpunkt, der für den Rest der Welt den Beginn des „wohlverdienten Ruhestands“ bedeutet.
Erfahrung atmet sein Spiel, routinierte Gelassenheit, flüssiges Understatement, aber eben auch den Biss eines, der es noch mal wissen will mit 66 Jahren: Musik für Herz und Bauch, swing für die Füße, Spaß an der Freud und Lust am Leben. Detailliert, profiliert und wohlgelaunt präsentiert Joe Haider am Bösendorfer im Neuburger Birdland gemeinsam mit den wesentlich jüngeren Giorgios Antoniou am Bass und Daniel Aebi am Schlagzeug einen Dialog der Generationen, in dem die Jungen vom Alten lernen, der Alte von den Jungen sich inspirieren lässt. O-Ton Haider zum Anteil seiner Mitstreiter am Comeback: „Man kann gar nicht sagen, was sie mir bedeuten. Die beiden haben mir Mut gegeben. Man könnte auch sagen: Die haben dem alten Haider wieder Feuer unterm Arsch gemacht.“
Sicher beherrschen die drei den guten alten Mainstream-Jazz, wie er von Haider erwartet wird, jedoch von wegen nur freundlich fließenden Swing: Am Vorabend auf Wunsch einer Zuhörerin spontan ins Programm genommen bringen die drei auch im Birdland „Body and Soul“ zu Gehör im noch zu ertastenden Zustand, lassen teilhaben an unmittelbarer Kommunikation und der gemeinsamen Entdeckungsreise ins Ungewisse. Das führt in eine Tiefe, der die Überwindung der Resignation erst die letzte Substanz verleihen kann.
„Someday My Prince Will Come“ erklingt zum Hochzeitstag der Schwester verquickt mit Hochzeitsmarsch und Humor, schürft nach den Nuggets der Hoffnung im zweiten Leben. Zum Schluss wird dann auf Basis des in Heidelberg verlorenen Herzens, seinerzeit täglich dem Vermieter im Bernerland als Renovierungsentgeld für’s gemietete Austragshäusel vorgespielt, voller Groove „Ein Sonntag in der Schweiz“ geboten, zwischen Kühen und Pflümli, launig, bärbeißig, entspannt und herrlich unbezopft.