„Musik hält jung“. Das ist zwar ein Klischee und muss nicht unbedingt stimmen, manchmal allerdings wird es auf ziemlich eindrucksvolle Weise bestätigt. Im Falle des Pianisten Joe Haider beispielsweise. Der ist mittlerweile 86 Jahre alt, steht seit 64 Jahren regelmäßig auf den Bühnen des Jazz und zeigt nicht das geringste Zeichen von Altersmüdigkeit.
Als Jazzer hat er so ziemlich alles erlebt, was es zu erleben gibt, weswegen ihm auch das Recht auf eine gewisse Sturheit zusteht. Sturheit in dem Sinne, dass ihm Moden, die es auch im Jazz gibt, völlig egal sind. Es spielt einfach das, was er liebt, einen Jazzwalzer, den er seiner Gattin gewidmet hat, eine Ballade im Andenken an den großen Duke Ellington, das Stück „Maria Magdale-na“ für seine Mutter. Typisch für ihn ist, dass er bei Konzerten nicht nur Musik macht, sondern auch viel und ausgiebig erzählt. Das hat er schon immer gemacht, daran wird sich auch nichts mehr ändern. Nicht immer hat das etwas mit Musik zu tun, viel aber mit seiner Sicht auf die Welt. Wenn es freilich darum geht, ein Resumée zu ziehen, dann reicht ihm ein Satz, der aus tiefstem Herzen kommt: „Ein Leben mit Musik ist einfach schön!“
Haider kann ganz schön brummig sein. Manchmal raunzt er sogar seine Mitspieler an, was aber so ernst nicht gemeint ist, denn alle grinsen dabei. In der Wohnzimmer-Atmosphäre, die er um sich herum verbreitet, sind Lockerheit angesagt, Spielfreude, Witz und Begeisterung. Aber auch musikalischer Ernst, denn wenn es um Stücke wie Benny Bailey’s „Neptune“ oder „Only For You“ aus eigener Feder geht, ist er absolut akribisch. Und mit all seiner Erfahrung weiß er ganz genau, dass er das Publikum am Ende sowieso in der Tasche haben wird, auch wenn er Mitte des ersten Sets noch fragen muss: „Seid ihr überhaupt noch da?“
Natürlich sind alle da, aufmerksam und konzentriert, denn jetzt kommen die Kracher. „Soulmates“ vom Posaunisten Johannes Herrlich, „Little Peace“ vom Tenorsaxofonisten Heinz von Herrmann, „Hot Summer in Vienna“, das hier vor Ort passenderweise zu „Hot Summer in Neuburg“ wird. Was von der Band kommt, die locker und relaxt, aber ungemein präzise in der Feinabstimmung agiert, wird immer intensiver, die Bläser sind bei den Themen perfekt aufeinander abgestimmt und Haider lässt seinen Mitspielern bei den Soli mindestens ebenso viel Platz wie sich selbst am Klavier. Der Trompeter Daniel Noesig, der Kontrabassist Raffaele Bossard, der Schlagzeuger Claudio Strüby, dazu Herrlich, von Herrman und Haider selbst, ja, das ist eine versierte und ausgefuchste Truppe, die zum Ende des ersten Sets hin deutlich an Fahrt aufnimmt und bis zum Ende auch nicht mehr nachlässt.
Und Haider sitzt mittendrin, ist ganz in seinem Element, wenn er die Soli verteilt, mit Gesten und Blicken die Richtung vor- und auch mal einen launischen Kommentar abgibt. Natürlich hat er am Ende das Auditorium geschlossen hinter sich, was im Grunde ja nie wirklich in Zweifel stand, und verabschiedet sich auf sehr persönliche Weise mit einer hinreißenden Improvisation über Johannes Brahms‘ „Guten Abend. Gute Nacht“. Ja, ein Leben mit Musik ist einfach schön.