Joe Haider Sextett | 14.05.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

„Musik hält jung“. Das ist zwar ein Klischee und muss nicht un­bedingt stimmen, manchmal allerdings wird es auf ziemlich eindrucksvolle Wei­se bestätigt. Im Falle des Pianisten Joe Haider beispielsweise. Der ist mittler­weile 86 Jahre alt, steht seit 64 Jahren re­gelmäßig auf den Bühnen des Jazz und zeigt nicht das geringste Zeichen von Al­tersmüdigkeit.

Als Jazzer hat er so ziemlich alles er­lebt, was es zu erleben gibt, weswegen ihm auch das Recht auf eine gewisse Sturheit zusteht. Sturheit in dem Sinne, dass ihm Moden, die es auch im Jazz gibt, völlig egal sind. Es spielt einfach das, was er liebt, einen Jazzwalzer, den er seiner Gattin gewidmet hat, eine Bal­lade im Andenken an den großen Duke Ellington, das Stück „Maria Magdale-na“ für seine Mutter. Typisch für ihn ist, dass er bei Konzerten nicht nur Musik macht, sondern auch viel und ausgie­big erzählt. Das hat er schon immer ge­macht, daran wird sich auch nichts mehr ändern. Nicht immer hat das etwas mit Musik zu tun, viel aber mit seiner Sicht auf die Welt. Wenn es freilich darum geht, ein Re­sumée zu ziehen, dann reicht ihm ein Satz, der aus tiefstem Herzen kommt: „Ein Leben mit Musik ist ein­fach schön!“

Haider kann ganz schön brummig sein. Manchmal raunzt er sogar seine Mitspie­ler an, was aber so ernst nicht gemeint ist, denn alle grinsen dabei. In der Wohn­zimmer-Atmosphäre, die er um sich her­um verbreitet, sind Lockerheit angesagt, Spielfreude, Witz und Begeisterung. Aber auch musikalischer Ernst, denn wenn es um Stücke wie Benny Bailey’s „Neptune“ oder „Only For You“ aus ei­gener Feder geht, ist er absolut akribisch. Und mit all seiner Erfahrung weiß er ganz genau, dass er das Publikum am Ende sowieso in der Tasche haben wird, auch wenn er Mitte des ersten Sets noch fragen muss: „Seid ihr überhaupt noch da?“

Natürlich sind alle da, aufmerksam und konzentriert, denn jetzt kommen die Kracher. „Soulmates“ vom Posaunisten Johannes Herrlich, „Little Peace“ vom Te­norsaxofonisten Heinz von Herrmann, „Hot Summer in Vienna“, das hier vor Ort passenderweise zu „Hot Summer in Neuburg“ wird. Was von der Band kommt, die locker und relaxt, aber unge­mein präzise in der Feinabstimmung agiert, wird immer intensiver, die Bläser sind bei den Themen perfekt aufeinander abgestimmt und Haider lässt seinen Mit­spielern bei den Soli mindestens ebenso viel Platz wie sich selbst am Klavier. Der Trompeter Daniel Noesig, der Kontra­bassist Raffaele Bossard, der Schlagzeu­ger Claudio Strüby, dazu Herrlich, von Herrman und Haider selbst, ja, das ist eine versierte und ausgefuchste Truppe, die zum Ende des ersten Sets hin deut­lich an Fahrt aufnimmt und bis zum Ende auch nicht mehr nachlässt.

Und Haider sitzt mittendrin, ist ganz in seinem Element, wenn er die Soli ver­teilt, mit Gesten und Blicken die Rich­tung vor- und auch mal einen launischen Kommentar abgibt. Natürlich hat er am Ende das Auditorium geschlossen hinter sich, was im Grunde ja nie wirklich in Zweifel stand, und verabschiedet sich auf sehr persönliche Weise mit einer hin­reißenden Improvisation über Johannes Brahms‘ „Guten Abend. Gute Nacht“. Ja, ein Leben mit Musik ist einfach schön.