Erena Terakubo Quartet | 27.10.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die Stabübergabe vom Seniorchef auf den Nachfolger erfolgt nicht immer reibungslos. Bisweilen prallen Welten zusammen und mitunter begleitet die Aktion ein gehöriges Geschepper. Im Birdland Jazzclub in Neuburg kann man an diesem Abend exemplarisch miterleben, wie sich eine neue Generation aufmacht, in die Fußstapfen derer zu treten, deren Erbe sie bereits im Jugendalter so magisch in seinen Bann gezogen hat, dass sie der einmal entfachten Leidenschaft ihr Leben widmen möchten.

Sie sind gerade mal höchstens um die dreißig, perfekt ausgebildet, haben von den Besten gelernt. Nicht jeder hat sie vom Namen her bereits auf dem Schirm, aber das wird sich ändern, denn die Zeit scheint reif. Wobei die Zeit im Jazz eigentlich immer reif ist für neue Gesichter, neue Ausdrucksweisen, neue Herangehensweisen, davon lebt er, das macht ihn aus. Steter Wandel statt erstarrte Musik. Da sind zum Beispiel die Altsaxofonistin und Flötistin Erena Terakubo aus dem japanischen Sapporo, die in New York lebt, der Kontrabassist Paolo Benedettini aus dem italienischen Bologna und die beiden Münchener Julian Schmidt am Flügel und Xaver Hellmeier am Schlagzeug. Wenn sie den Stab übernehmen, dann erfolgt dies freilich ohne großes Tamtam, ohne Paukenschlag, dafür mit Charme, Understatement und viel Eleganz.

Gerade noch wurden sie als vielversprechende Talente gehandelt, doch diese Phase haben sie hinter sich gelassen. Sie finden für sich genau den richtigen Mittelweg zwischen dem respektvollen Umgang mit der Historie ihres Genres und dem Vermächtnis derer, die jene mitgestaltet haben, und dem Augenmerk auf dem eigenen Weg, der sich so vielversprechend anhört. Terakubo’s Eigenkompositionen wie „I’ll Be On Your Side“, „Star Crossed Lover“ oder „Imaginary Soldier“ sind Stücke, die einem bereits bei der ersten Themenvorstellung so bekannt vorkommen, dass man sie schon ewig zu kennen glaubt, was aber aufgrund ihres Entstehungstermins gar nicht möglich ist. Terakubo spielt absolut sauber, bei ihr gibt es kein Überblasen und kein Verschleifen von Tönen. Sie bevorzugt die klare Linienführung, Schnörkel kommen selten vor. Trotzdem ist ihr Spiel in hohem Maße emotional, was vor allem in den Balladen deutlich wird, aber eben im Sinne von Reinheit und Schönheit. Dass sie andererseits Dizzy Gillespie im Höllentempo interpretiert und in ihre Soli hier rasante Sprünge einbaut, zeigt ihre Vielfältigkeit. Julian Schmidt war vor ein paar Wochen bereits mit Guido May’s Groove Merchants im Birdland zu Gast. Diesmal hat er mehr Platz zur Entfaltung, den er auch weidlich nutzt. Sein flüssiges Spiel, seine perlenden Noten passen ideal zum Saxofon. Wie er mit ihm korrespondiert, ist absolut hörenswert.

Mit Xaver Hellmeier, der nach eigenem Bekunden mit Art Blakey sehr verbunden ist, und Paolo Benedetti, der bei Ron Carter gelernt und viel von dessen Eleganz übernommen hat, haben die beiden Hauptsolisten die ideale Ergänzung gefunden. Vier junge Musiker befinden sich in der Phase des Durchbruchs, gehen ihren eigenen Weg und nehmen ihr Erbe mit. Was dabei an Hörbarem herauskommt, ist in höchstem Maße bemerkenswert und zukunftsweisend. Ohne Spektakel und Gedöns und trotzdem sehr eindrucksvoll und nachhaltig.