JoAnne Brackeen Piano Solo | 09.03.2013

Neuburger Rundschau | Stephanie Knauer
 

So wie ein Kunstmaler mit seinem Formgefühl und Geschmack die letzten Pinselstriche setzt, so setzte Jazzpianistin JoAnne Brackeen am Samstagabend im Birdland nach den Nummern ihre Schlussstriche. Pianosoloabende, noch dazu von Frauen, sind in der Jazzlandschaft Rarität. Ähnlich rar ist etwas derart Augenblicksgeschaffenes wie vorgestern zu hören: Als pflücke sie am Wegrand Eingebungen, denen sie nachgeht, ohne ihren roten Faden, ihre Permanent-Mutationen durch die Tune-Vorlage aus den Augen zu verlieren – das Gastspiel der amerikanischen Jazzpiano-Koryphäe JoAnne Brackeen im Neuburger Jazzclub war ein faszinierend meisterlicher Balanceakt zwischen Inspiration und Gestaltung, zwischen Vorstellung und technisch-musikalischer Realisierung. Nach 18 Jahren spielte Brackeen wieder am Bösendorfer im Neuburger Hofapothekenkeller. Die 74-Jährige wirkte beinahe gerührt, als sie sich in ihrer Moderation daran erinnerte. Ausverkauft war der Jazzclub nicht, dafür hörte ein aufmerksames und begeistertes Publikum den anspruchsvoll-eigenwillig-grandiosen Betrachtungen und Erzählungen zu. Brackeens Spiel lässt sich nicht nebenbei erfassen, erfordert Konzentration. Birhythmik, eine bewundernswert autarke linke Hand, das Herausschälen von und Switchen zwischen Stilen und Schritten, Dauerparlieren bis zur Kanonade wie aus mehreren Richtungen und Ebenen, kratzige Harmonien und Tonfolgen bis nahe der Atonalität, überraschende Wendungen, erwartungsgerecht bombastische Cluster-Klimaxe, ihren trocken-präzisen Anschlag und ihren enormen Erfahrungsschatz schien sie mit versunkener Ruhe aus dem Ärmel zu schütteln. „Picasso des Piano“ werde sie wegen ihres Bruchs mit den Konventionen genannt, so der Ankündigungstext. Diesmal zeigte sich Brackeen auch traditionsbewusst mit Rag und Blues, mit Gershwin-Grandezza oder „How deep ist he ocean“ zum Warming-Up, im zweiten Konzertteil handsamer, entwickelte etwa über den harmonischen Turnaround der alten spanischen Weise eine vor allem rhythmisch atemberaubende Variationsstrecke. Mit ihren Vorlagen machte es sie sich nicht leicht, an dem einen oder anderen sperrig-langen Original hätte sich mancher improvisatorisch die Zähne ausgebissen. JoAnne Brackeen erschuf daraus Kunstwerke, die wie gemalt klangen.