Joachim Schönecker Quartet feat. Adam Nussbaum | 05.01.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Wer sich als Deutscher mit einem Umlaut-Namen auf die Plattform Amerika begibt, muss ganz zwangsläufig damit rechnen, ein Stück seiner Identität zu verlieren. Joachim Schönecker kursiert dort gleich in mehreren Versionen: mit oe oder nur mit o, manchmal wird aus dem ck einfach ein k. Und im Neuburger „Birdland“-Jazzclub brach sich sein Drummer Adam Nussbaum fast die Zunge, als er den verdienten Applaus des Publikums auf „Dschoakim Scheenäckr on the guitar“ lenkte.

Warum der 34-jährige trotz dieser phonetischen Stolpersteine im gelobten Jazzland derzeit zu den gitarristischen Geheimtipps zählt, wusste das Auditorium beim Jahresauftaktkonzert im gut gefüllten Hofapothekenkeller spätestens nach der Zugabe. Denn einer wie Schönecker ahnt wohl die Gefahr der Verwechselbarkeit in einer Szene, bei der das Angebot die Nachfrage bei weitem übersteigt, und hat sich bereits eine erstaunlich originale Instrumentalsprache zurechtgezimmert. Pat Martino und Jim Hall mögen früher die schützende Hand über sein auf maximale Ausdruckskraft bedachtes Spiel gehalten haben. Heute jedoch zelebriert der Wahl-Kölner ausschließlich eigene musikalische Visionen und emotionale Motive. Er begibt sich auf die Suche nach seiner Identität, einer inneren Stimme folgend.

Das Resultat kann sich mehr als hören lassen: Eine erfrischend unprätentiöse Balance zwischen Rückschau, Bestandsaufnahme und Ausblick, altem Swing und neuem Groove, klassischen Bop-Schemata und modernen interaktiven Experimenten, in der Schönecker alles andere als den großen Zampano markiert. In geschmeidiger Unaufdringlichkeit absorbiert der Saitentänzer die umher fliegenden Instrumentalkleckse und lässt seine meist autobiographisch gefärbten, bunt schillernden Kompositionen, die dem jungen Mann direkt aus dem Herzen purzeln, atmen.

Mal gibt er den dienlichen Akkordier, mal überrascht er mit differenzierter Attack, dann konstruiert er in „Three“ melancholische, spinnwebenartige Strukturen oder verschiebt bei Monk-Nummern ganz unscheinbar die harmonischen Gewichte, während seine Partner das Stück nach Herzenslust von unten her aufdröseln.

Ohne diese Mannschaft könnte Schönecker sowieso nur fragmentarisch artikulieren, was ihn bewegt und berührt. Die Art etwa, wie der Tenorsaxofonist Paul Heller die lyrischen Singlenotes seines Freundes mit rauen Phrasen kontrastiert oder sich mit ihm in der Wahnsinns-Nummer „Analog Guy“ ein Kopf-an-Kopf-Rennen voller heiserer, eruptiver Licks liefert, offenbart die faszinierende Dualität seiner Musik.

Wenn dann noch der wendige Bassist John Goldsby und der atemberaubende Rhythmusjongleur Nussbaum am Schlagzeug abrupt die Tempi wechseln, bereitet es unbändige Lust, Schönecker dabei zu beobachten, wie er in der Rolle des eleganten Sprinters mit runden Bewegungen an den beiden vorbeizieht. In der Beharrlichkeit liegt seine Kraft, in der Konsequenz das ganz persönliche Erfolgsgeheimnis. Ganz schoen weit für den Anfang einer Karriere.