Jim Mullen – Helmut Nieberle Sextet | 19.11.2004

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Same Procedure as every Year. Und doch ist es jedes Mal ein klein wenig anders, wenn der Londoner Gitarrist Jim Mullen und sein kongenialer Saitenfreund Helmut Nieberle aus Regensburg samt eingespielter Crew im Neuburger „Birdland“-Jazzclub aufkreuzen.

Mullens knochentrockener britischer Humor gebiert nun schon im dritten Jahr hintereinander immer wieder neue Pointen, die Band frischt ihr Repertoire regelmäßig auf, ohne ihren Charakter einer Spaßband mit hohem künstlerischen Anspruch zu verlieren. Und das Sextett scheint von Jahr zu Jahr zu wachsen, mehr und mehr in seiner selbst gestellten Aufgabe aufzugehen, ein spritziges, weil seltenes Oeuvre für zwei Gitarren, kombiniert mit einem Sänger (Charly Meimer) und dem Baritonsaxofon zu schaffen.

Gerade Letzteres erlebt diesmal im Hofapothekenkeller in Händen von Bob Rückerl einen kaum erwarteten Höhenflug. Der Abensberger Tausendsassa verleiht der „Brummaxt“ durch sein dosiertes, körperreiches, enorm bewegliches Spiel eine gewichtige Rolle neben den beiden Gitarren. Gerade wenn Rückerl das sonor-laszive Timbre Meimers in „A Nightingale sang in Berkeley Square“ mit wohltuend knorrigen Zärtlichkeiten aus dem Schalltrichter unterfüttert, dann transportiert er schon fast jene emotionale Leichtigkeit, die einst Gerry Mulligan so einzigartig erscheinen ließ.

Und Meimer, dieser introvertierte Joe Cocker des Jazz, versetzt seine kontinuierlich wachsende Fanschar abermals in Erstaunen. Obwohl er selbst weiß, dass sein Stimmumfang allenfalls über zwei Oktaven reicht, drückt er Songs wie „When in Rome do as the Romans do“ mit blitzsauberer Intonation und selbst in schwierigen Partituren mit einer verblüffenden Unbefangenheit seinen ganz eigenen Stempel auf. Wirklich Klasse! Die beiden Saitenkünstler sind sowieso über jeden Zweifel erhaben. Zur Alltagsroutine gehören ihre kammermusikalischen Solointermezzi aber deshalb noch lange nicht, auch wenn der geneigte „Birdland“-Besucher solche leisen Manifeste großer Gitarrenkunst nun schon zum wiederholten Mal miterleben darf.

Mullens „I can`t get started“ gerät zum unmanierierten Schaulaufen rhythmisch prägnant akzentuierter, auch in schnellen Tempi klar artikulierter Linien. Nieberles Alleingang auf der siebensaitigen Gitarre bewegt sich im Harmoniengeflecht von „Like someone in Love“. Eine Kette akrobatischer Grifffolgen, deren tieferer Sinn sich erst am Ende erschließt, ein Lichtermeer, das jede Nebelnacht zu illuminieren vermag. Für einen kurzen Moment schafft es Nieberle sogar, die Sterne vom Himmel zu holen.

Ansonsten herrscht angenehme Erdigkeit. Die neuen Stücke wie etwa Rückerls „Senor Nieb“ oder der frisch klingende Standard „Joy Spring“ passen perfekt in die entspannte Feierabendstimmung, zu der auch das Publikum sowie die süffig swingenden „Rhythmusknechte“ Christian Diener (Kontrabass) und Scotty Gottwald (Drums) ihren Teil beitragen. Natürlich wiederholen sich auch manche Dinge. „Frim Fram Sauce“, das Gute-Laune-Thema von Nat King Cole zum Mitsingen, mittlerweile eine Art Erkennungsmelodie der Mullen-Nieberle-Band, muss einfach sein. Wie ein duftender Esspresso, der dieses „Dinner for Six“ schlicht perfekt abrundet. Cheerio Miss Sophie!