Jim Mullen – Helmut Nieberle Group feat. Zoe Francis
„Try Your Wings“ | 19.10.2018

Donaukurier | Karl Leitner
 

Da haben sich ja zwei gefunden. Wenn der Schotte Jim Mullen und Helmut Nieberle aus Regensburg, jeder für sich ein exzellenter Gitarrist, aufeinander treffen wie an diesem Abend im Birdland, sprühen die Funken, flirrt die Luft, fliegen die Ideen nur so hin und her. Auch wenn sie beide ein durchaus ähnliches Klangbild bevorzugen, hat doch jeder seine ganz persönlichen Eigenheiten. Nieberle spielt ein Instrument mit sieben Saiten und Mullen macht wie einst Wes Montgomery alles mit dem Daumen der rechten Hand.
Das fällt auf, ist aber bei diesem speziellen Auftritt im Jazzclub in der Neuburger Altstadt, den die beiden zusammen mit Ernst Techel am Kontrabass und Scotty Gottwald am Schlagzeug absolvieren, gar nicht mal das Entscheidende. Das ist vielmehr die englische Sängerin Zoe Francis, deren ganze Liebe den Jazzsongs der Fünfziger Jahre gehört, ganz speziell denen aus dem Repertoire von Blossom Dearie, die mit Stücken wie „They Say It’s Spring“, „Try Your Wings“ und „Peel Me A Grape“ in den USA große Erfolge feierte. Ein Hauch von Doris Day schwebt durch das Birdland, als Zoe Francis die Stimme erhebt, auf äußerst charmante Weise ganz bewusst mit dem „altmodischen“ Image dieser Musik und mit dem dazugehörigen Zeitgeist spielt. Zusammen mit der Band lässt eine Ära wieder aufleben, in der eine Jazzsängerin – sofern sie nicht Marylin Monroe hieß, die sich ja auch in diesem Genre versuchte – gut daran tat, möglichst keine Skandale zu verursachen und sich damit die Karriere zu ruinieren. Trotz des Titels „I’m Hip“ war Hipness damals ja eher nicht so gern gesehen. Und so gibt sich Zoe Francis eher zurückhaltend, lässt die Songs und ihre Art der Interpretation ganz für sich sprechen und trifft damit genau den Nerv des Auditoriums. Sie könnte ja mit diesen Songs, die das Publikum vielleicht nicht alle dem Namen nach kennt, aber doch zumindest schon mal gehört hat und somit unwillkürlich mit der Version von Miss Francis vielleicht, ja gehörig auf die Nase fallen. Diese Gefahr wird hier sehr geschickt umgangen, indem die Sängerin es hinbekommt, sie alle mit einer ganz persönlichen Note zu versehen, wobei der leicht unterkühlt klingenden aber doch emotionale Wärme verströmenden Stimme eine entscheidende Bedeutung zukommt. Zoe Francis berührt ihr Publikum, aber sie bedrängt es nicht.
Dass diese swingenden Stücke aus den amerikanischen Songschmieden der Fifties leichter konsumierbar sind als zeitgleich entstandene Werke etwa des Be-bop und des Modern Jazz, versteht sich von selbst, zeigt aber auch, wie riesig die Palette an Spielformen des Jazz doch ist und welch unterschiedliche Geschmäcker dabei auf ihre Kosten kommen.