Jim Mullen – Helmut Nieberle Group feat. Zoe Francis
„Try Your Wings“ | 19.10.2018

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Diese Stimme, diese Ausstrahlung und dieses feine Spiel mit einer scheinbar nahen und doch sehr fernen Verführung. In großer Literatur wird vom ewig Weiblichen geraunt, das uns hinanzieht (oder doch hinab?). Im rappelvollen Birdland Neuburg zog eine musikalische Erscheinung in Gestalt der britischen Sängerin Zeo Francis das Publikum in seinen Bann: Mit feinen, umwerfend intensiven Tönen, nie über ein schlankes Mezzoforte hinausgehend und oft im geheimnisvollen Piano, mit kraftvollem Feeling ohne irgend einen aufgesetzten Effekt. Mit kleinen Gesten und einer schwebenden Eleganz auch in der körperlichen Präsenz.

Ein umwerfendes musikalisches Gesamtkunstwerk war da zu beobachten, wie aus einer anderen Zeit. Als es noch einige wenige, unerreichbare Göttinnen auf der Leinwand oder im Konzertsaal gab, aber keine schrillen Figuren mit wildem Outfit und jederzeit zu haben für Geschmacksverirrungen jeder Art.

„Try your wings“ heißt einer der Songs, die Zoe Francis in den Gewölbekeller unter der alten Hofapotheke stellt. Nach ein paar Takten kann man das Gefühl haben, mit dieser Sängerin voller Leichtigkeit abzuheben und sich auf eine verführerische musikalische Reise zu begeben. Die brillanten Gitarren-Künstler Helmut Nieberle und Jim Mullen und die dezenten, aber hellwachen Rhythmus-Geber Scotty Gottwald (Schlagzeug) und Ernst Techel (Bass) tragen, jeder auf seine Weise, zum Genusserlebnis dieser Reise ihren gemessenen Anteil bei.

Witzig, mit improvisatorischem Mut und versunken in die melodische Kraft der sechs- oder siebensaitigen Gitarre, werfen sich Nieberle und Mullen die Bälle zu. Im nächsten Moment vereinigen sie sich im satten Unisono und geben dann plötzlich für kurze Soli an den Schlagzeuger und den Bassisten weiter. Keiner drängt sich in den Vordergrund, auch die Instrumente pflegen die sanften, leisen Töne. Sie wissen, welche Qualitäten im Zusammenwirken mit dieser Sängerin gefragt sind. Wenn man soll will, erlebt das Publikum einen musikalischen Flirt von Gitarren, Bass und Schlagzeug mit der Gesangssolistin. Am deutlichsten wird dies in der wunderbaren Nummer „show me you love me“. Das ist ein Wettbewerb unter den Instrumenten mit ganz feinen Mitteln, ein raffiniertes Spiel um Verlockung und Sehnsucht.

Zwei Gitarren allein oder im Trio mit Bass beziehungsweise Schlagzeug, das ist keine spektakuläre Besetzung. Aber es muss ja nicht immer der volle Bläsersound sein. Das Versonnene, das Poetische der Gitarre, die sonore Tonlage des Basses oder ein vorsichtig eingesetztes Schlagwerk – all das kann packend sein, eben auf die sanfte Art. Dieses Erlebnis brachten Nieberle und Mullen, zwei Zauberer auf der Gitarre, im „Swing for two“ auf die Bühne. Und „Luisa“, eine sehr verfremdete Variante eine Englischen Walzers, setzte einen ganz anderen Akzent. Ein Abend der Vielfalt und in manchen Momenten der fast vollkommenen Schönheit.