„Django’s Castle“ – Gipsy Baroque | 12.10.2018

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Teufelsgeiger, dieser Begriff sagt den meisten etwas, auch wenn sie von Barock, Klassik oder Jazz nicht so viel verstehen. Ein paar Namen fallen einem da ein, von Niccolo Paganini über Jascha Heifetz bis zu Nigel Kennedy. Aber Teufelsbratscher? So etwas gibt es eigentlich nicht – wie soll sich ausgerechnet auf der Bratsche, die eher nicht zu den Instrumenten mit dem größten Sex-Appeal zählt, jemand einen solchen Ruf erwerben?

So kann man sich täuschen. Der Abend im Birdland unter dem Motto „Barock meets Classic“ wurde zu einem Schlüsselerlebnis für manche, die bisher die Bratsche (Viola) als Instrument kannten, das in einem großen Orchester halt dazugehört, aber eher in begleitender Funktion. Das darf man vergessen, wenn ein Teufelskerl und Vollblutmusiker wie Martin Stegner aus seinem Instrument Töne, Emotionen und rhythmische Raffinessen herausholt, die man so nie gehört hat.

Eine Klarinette, eine siebensaitige Gitarre und eben eine Bratsche – das ist keine übliche Trio-Kombination. Das Klangvolumen eines Klaviers fehlt, auch die Farbe etwa eines Saxofons, das immer für einen wilden Touch gut ist, steht nicht zur Verfügung. Es könnte also ein schöner Jazz/Barock-Abend herauskommen, aber nicht unbedingt ein aufregender.

Im rappelvollen Birdland jedoch durfte das Publikum Denkwürdiges erleben. Einen Klarinettisten, der sein Instrument regelrecht streichelt, der bezaubernde Melodiebögen in den Raum stellt und mit unverschämter Leichtigkeit alle Gypsy-Swing-Klippen überspringt (Stephan Holstein). Einen Poeten auf der Gitarre, der mit prickelnder Klarheit seine sieben Saiten zum Swingen bringt (Helmut Nieberle). Und eben ein Teufelsbratscher namens Martin Stegner, Mitglied einer der besten Orchester weltweit (Berliner Symphoniker) und Jazz-Musikant mit Leib und Seele.

Daraus entstehen Kostbarkeiten, die man nicht vergisst. Eine Jazz-Gypsy-Variante von Johann Sebastian Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen zum Beispiel, die zum intellektuellen Vergnügen gerät. Man kann ja der Meinung sein, Bach sei so vollkommen, dass man nichts hinzufügen oder weglassen dürfe. Bearbeitet man diesen Musik-Giganten dennoch, dann sollte es man so tun, wie es Nieberle, Holstein und Stegner vorgeführt haben. Dieses Niveau zu unterschreiten, wäre vielleicht wirklich eine Sünde.

Ein musikalischer Spaß, frech und witzig, war der „Pergolesi Swing“, als Hommage an den Barock-Komponisten Giovanni Pergolesi. Was Nieberle, Stegner und Holstein aus Stücken des Altmeisters Django Reinhardt machen, dafür sollte man etwas höher greifen: Manches war fast eine musikalische Offenbarung. Der „Gypsy Rag“ zum Beispiel, ein fast 100 Jahre altes Stück, mit hinreißendem Esprit und einer unglaublichen Präsenz auf die Bühne gebracht, „Djangos Castle“ oder Helmut Nieberles Eigenkomposition „Swing for two“. Und das Schluss-Stück von Django Reinhardt, das übersetzt „Die Wolke“ heißt. Sphärische Klänge, eine fast irritierende Intensität der Bratsche und geheimnisvolle Klängen von Gitarre und Klarinette. Nicht nur für ein paar Minuten lässt diese Musik alle Erdenschwere vergessen.