Jesse Davis , Martin Zenker Quintet | 16.01.2015

Donaukurier | Karl Leitner
 

Zuerst sieht es im Birdland Jazzclub zu Neuburg ja so aus, als würde der legendäre Billy Hart, mit seinen 74 Jahren immer noch ein wahres Energiebündel und Kraftpaket hinter dem Schlagzeug, die Musik förmlich erschlagen. Mit unbändiger Wucht rückt er den Erzeugnissen der Firmen Pearl und Zildjian zu Leibe und treibt die Formation um den Altsaxofonisten Jesse Davis und den Kontrabassisten Martin Zenker unerbittlich vor sich her. Doch nach der Eröffnungsnummer, dem ungestümen „Blues For Damon“ aus der Feder von Steve Grossman, beruhigt sich die Szenerie und Trompeter Damon Brown rückt ins Rampenlicht, und zwar nicht mal in erster Linie als Solist, sondern vor allem als Komponist, dessen Stücke den Großteil des Programms einnehmen.
Das entspannte „Kit Cat“ mit seinen toll gesetzten Bläserparts, der sich nonchalant dahin schlängelnde „Song For Sarney“ als Inbegriff einer ins Akustische umgesetzten Blauen Stunde, das fließende, ja strömende „On A Misty Night“ und schließlich „Han River“ mit einem Thema, das irgendwie die ganze Welt umarmen möchte und den Hörer geradezu trunken macht – das sind in der Tat Nummern, in die man sich sofort unsterblich verlieben könnte.
Wobei besagtem Han River eine Art Schlüsselrolle zukommt, fließt er doch durch die südkoreanische Metropole Seoul, in der Davis aus New Orleans, Zenker aus München, Brown aus London und Pianist Paul Kirby aus dem schottischen Edinburgh zusammentrafen und beschlossen, mit dem amerikanischen Star Billy Hart eine Band zu gründen. Was sich als Glücksfall herausstellte, wie man spätestens nach dem Konzert in Neuburg weiß, zum einen für das Publikum, das teils detailgenau geplante teils spontane aber nicht weniger passende Passagen genießen darf, ohne vorher ein Jazz-Abitur abgelegt haben zu müssen. Nein, man fühlt sich ganz einfach wohl mit diesen wunderschönen Themen, den nachvollziehbaren und eben nicht abgehobenen Variationen, den geschmackvoll in den von Brown vorgegebenen Rahmen eingepassten Beiträgen. Zum anderen aber auch für die Musiker selbst, die die spezielle Atmosphäre des Birdland anscheinend wirklich genießen und bei aller Konzentration immer entspannt bleiben, weit über zwei Stunden lang, ehe sie ihr Publikum mit einem Medley aus „Body And Soul und „I Can’t Get Started“ sowie Hank Mobley‘s „This I Dig Of You“ in die kalte Januarnacht entlassen. – Weltenbummler-Jazz, der Lust macht, selbst die Koffer zu packen? Warum nicht. Die Frage nach dem passenden Resie-Soundtrack wäre schon mal gelöst.