Vincent Peirani Quintet | 17.01.2015

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Akkordeon – Luft streicht an Metallzungen vorbei, wird in Schwingung versetzt, vibriert, klingt, klagt, tanzt, mal in einsamer Melancholie, mal in der Fülle voller Register. Viel zu selten wird das meist arg unterschätzte Instrument in aller Bandbreite genutzt. Weit jenseits aller Klischees und Hörerwartungen, weit ab von Quetsche, Tango, Musette und Walzerseligkeit entdeckt der aus Nizza stammende Vincent Peirani ein unglaublich variables Instrument ganz neu und entlockt dem Knopfakkordeon unerhört lebendige Musik von hoher kreativer Dichte und stilübergreifender Energie.

Durchaus in der Tradition des Jazz verwurzelt, wie gleich das erste Stück auf der Bühne des Birdland klarstellt in Bezugnahme auf einen der größten und originellsten Komponisten des Bebop: „Some Monk“! Weitere Jazzreferenzen sind später u.a. Duke Ellington und Michel Portal. Andererseits bietet Peirani nun wirklich keinen Jazz im klassischen Sinne.

Der schon in jungen Jahren mehrfach ausgezeichnete Mittdreißiger kann vogelzwitschernd hauchfeine Melodien zaubern wie in einer Komposition von Olivier Messiaen, krachen wie in einem Heavy Metal Song, Sog entwickeln wie in einer psychedelischen Nummer der Doors und Endorphine wecken wie im Tanz der Arabeske.

Der „Dream Brother“ lässt das Herz erzittern in aufregendem Wechsel zwischen Wucht und Stille, vor allem aber immer wieder in der klanglich reizvollen Reibung des Akkordeons mit Emile Parisiens körperbetontem Sopransaxophon auf der einen und Tony Paelemans effektunterstütztem Fender Rhodes Piano auf der anderen Seite.

Unterlegt von Julien Hernés rundem E-Bass und Yoann Serras quirlig agilem Schlagzeug wechseln Tanz und Trance, Offensive und Versenkung, Groove und Meditation, Hummelflug und Karussell. Fast schwerelos bewegt sich die Musik durch Zeit und Raum in hymnischer Elegie, hitzigem Groove oder sanftem Melos. Das lässt im „Working Rhythm“ Raum für Assoziationen zur Folkore imaginaire und zu Neuer Musik, zur Romantik Bedrich Smetanas, zur glühenden Intensität Miles Davis, zur minimalistischen Dynamik Philip Glass und zur Opulenz Jon Lords.

Ein weites Universum musikalischer Offenheit, von kaum einem Horizont eingegrenzt, eine Tiefenbohrung durch etliche Schichten der Phantasie, wahre Wundertüte zeitgemäßen Musizierens!