Jermaine Landsberger Trio feat. Bireli Lagrene | 16.03.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Einst als Wunderkind an der Gitarre und legitimer Nachfolger Django Reinhardts gefeiert, ist Biréli Lagrène längst erwachsen geworden. Vom lärmenden Fusion-Blendwerk seiner Jugendzeit emanzipiert, widmet sich der 34jährige Elsässer nun wieder dem filigranen, halbakustischen Spiel. Und das ist gut so. Denn außer Jim Hall gibt es derzeit niemanden, der Sträuße von solch intensiver Klangfarbenpracht aus einer Gibson zaubern kann.

Ein Duett, wie jenes mit dem Pianisten Jermaine Landsberger im Neuburger „Birdland“-Jazzclub könnte da fast schon zur leisen Offenbarung geraten – wenn denn auch die Rahmenbedingungen dafür stimmen würden. Die beiden Sinti-Musiker suchen sich während ihres zweistündigen Konzertes unentwegt in jeder Melodie, finden aber aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere nur ganz selten wirklich zueinander. Ein echtes Kräftemessen kommt nie auf, weil sich der lyrische, mehr innerlich als äußerlich agierende Landsberger nur schwer gegen den draufgängerischen, aufreizend lässigen Lagrène, ein weiteres verstärktes Saiteninstrument (viel zu wummernd: Bassist Davide Petrocca) sowie ein Schlagzeug (viel zu wuchtig: Matthias Gmelin) Gehör verschaffen kann.

So entwickelt sich der Abend ganz zwangsläufig zum Showcase für den Fingerakrobaten, obwohl es sich ja eigentlich um die Band des Klavier spielenden Schöngeistes handelt. Breitbeinig steht Biréli im Zentrum des Geschehens, lässig eine Zigarette in den Mundwinkeln und fest entschlossen, endlich wieder als verbindlicher Maßstab in Sachen Jazzgitarre anerkannt zu werden. Und so agiert er. Seine Soli sind keine behutsamen, filigran gesetzten Konstruktionen, sondern lodern hell auf wie bengalische Feuer.

Vom Griffbrett purzeln kaskadenhafte Arpeggios und Synkopierungen, blitzartige Akzentuierungen, mächtige Oktaven, virtuose Vibrato-Techniken. Und dann noch sein Tempo: Wie ein Adler stößt er von den oberen in die unteren Lagen, die Rechte verzwirbelt und verdreht derart plakativ, dass einem der Beiname „Saitenhexer“ praktisch ins Gesicht springt. Geschwindigkeit – das weiß Lagrène – ist keine Hexerei, sondern manchmal durchaus auch ein bisschen Blendwerk.

Genauso verhält es sich beim Repertoire, das er trotz der Nähe offenbar bewusst gewählt hat, um sich von Django Reinhardt abzusetzen. Aber schon bei dessen Spätwerk „Nuit St. Germain de Prés“ mit den wechselnden Tempi und chargierenden Rhythmen holt Biréli Lagrène die erstaunliche Modernität seines Alter Egos ein. „Nuages“, die Erkennungsmelodie Reinhardts, kann selbst der versierteste Gitarrist nie aus dem langen Schlagschatten ihres Schöpfers hervorzerren.

Der Rest bleibt gefälliger Mainstream, der sich mit zunehmender Dauer in ein seichtes, konturloses Stück Swing verwandelt und die Frage nach den wahren Fähigkeiten von Jermaine Landsberger weitgehend unbeantwortet lässt. In der Zugabe ahnt man, was möglich gewesen wäre: Piano und Gitarre in einer bittersüßen, melancholischen Zigeunerweise, die allmählich in eine rasante Bebop-Hetzjagd auf slawischem Boden ausufert. Kein Schielen nach übermächtigen Vorbildern, kein Kampf gegen Windmühlenflügel, sondern einfach nur Musik tief aus dem Herzen.