Ray Brown | 17.03.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Aller Anfang ist doch nicht so schwer. Gerade wenn man über derart vortreffliche räumliche Voraussetzungen verfügt. Gut, die Atmosphäre eines Jazzclubs ist anders, vielleicht noch etwas intimer, wärmer. Aber gerade die karge Eleganz im gut gefüllten Kinosaal des museum mobile mit den dezent farbigen Bühnenspots birgt ihren eigenen Reiz, ganz zu schweigen von der erstaunlichen Akustik, mit der sich die 76-jährige Bass-Ikone Ray Brown beim „Jungfernkonzert“ im Ingolstädter Audi Forum von seiner elegantesten Seite ins Bild rückt.

Der hölzerne Korpus, das Piano und das Schlagzeug klingen trocken, klar und bündig; ein Fest für die Ohren, und in zunehmendem Maße auch für das Publikum, das am Anfang ziemlich steif auf seinen Stühlen klebt und am Schluss sogar stehende Ovationen für einen der bedeutendsten lebenden Jazzmusiker spendet. Selbst die Stimmung verbessert sich von Minute zu Minute. Zunächst Nebengespräche und -geräusche, sogar ein Handy klingelt mitten unter einem leisen Solo. Dann aber, irgendwann nach der Pause, kommt jemand auf die grandiose Idee, das Licht im Saal zu löschen. Plötzlich entsteht Jazz-Atmosphäre.

Ray Brown bemerkt dies als Erster. War ihm noch im ersten Set die sicherlich nicht unzutreffende Bemerkung „Are you sleeping?“ über die Lippen gerutscht, grinst der langjährige Sideman Oscar Petersons und Ex-Mann von Ella Fitzgerald nun über beide Backen: Wieder eine scheinbar uneinnehmbare Bastion mit Hilfe dieses unnachahmlichen, fein ziselierten Swings genommen.

Bei dem ewig jungen Altmeister, der am gestrigen Freitag auch noch im Neuburger „Birdland“-Jazzclub auftrat, trägt der Bass jede Melodie und bedient obendrein auch noch sämtliche rhythmischen Ansprüche. Im Trio, der kleinen Einheit für den großen Ausdruck, filtert, dosiert und bündelt Ray Brown. Er herrscht, ohne freilich seinen beiden jungen Partnern Larry Fuller (Piano) und George Fludas (Schlagzeug) seinen Willen aufzudiktieren. Eine Autorität, die ausschließlich einem phänomenalen Zeitgefühl, einer superben Intonation sowie einem erdigen Ton entspringt.

Fuller kommt Browns Idealbild eines Klavierspielers ziemlich nahe: Wuchtige, blueslastige Blockakkorde, kontrollierter Anschlag, stimmig gesetzte Pausen und die Rechte tief ins Wasser des Mississippi getaucht. Auch Fludas verfügt über ein gutes Gespür für „Give and Take“, schielt manchmal aber noch zu sehr nach seinem Boss. Was Wunder, bei Basslinien von solch delikater Schönheit wie in der Windhauch-Ballade „I got a Crush on you“ mit den schwerelosen Arco-Passagen oder Dizzy Gillespies „Birks Works“, bei der der Groove so abgezockt daher schleicht wie ein Katze auf Samtpfoten.

Browns Hände knüpfen eine durch und durch organische Struktur. Sie führen den Hörer durch das Wurzelwerk der alten Standards, zeigen ihm deren harmonische Stolpersteine, den Weg um sie herum und beweisen, dass auch vermeintlich gefahrloser Swing ganz schön spannend werden kann. Ein gelungener Auftakt für die Reihe „Jazz im Audi Forum“, der man sich einen möglichst langen Atem wünscht. Von der dabei entstehenden Periodik könnte die gesamte Ingolstädter Jazzszene – gerade außerhalb der Jazztage – profitieren.