Jermaine Landsberger Trio feat. Bireli Lagrene | 10.03.2001

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Wer mit Sinti-Jazz nur die swingende Variante der romantischen Folklore des fahrenden Volkes oder den Django Reinhardt Sound des Hot Club de France verbindet, wurde mit dem Auftritt des Jermaine Landsberger Trios featuring Bireli Lagrene gründlich eines Besseren belehrt. Mit Jazz auf der Höhe der Zeit treibt dieses bemerkenswert moderne Quartett konsequent die Emanzipation eines Genres voran.

Bireli Lagrene hat lange Schatten loszuwerden. Nach wie vor assoziieren Fans das Wunderkind, das bereits mit 14 Jahren über die Bühnen Europas und der Neuen Welt gereicht wurde, frenetisch gefeiert als Griffbrettakrobat und fingerflinker Erbe des großen Django Reinhardt, des Übervaters aller jazzenden Sinti. Aber Sinti-Jazz ist seit langem schon weit mehr als das Nachzupfen der Djangologien der dreißiger und vierziger Jahre. Schon Django Reinhardt selbst hatte sich in den 50ern konsequent dem Bebop geöffnet, modernen Jazz gespielt. So ist es nur folgerichtig, wenn die Erben da weitermachen, wo er aufhören musste, z.B. in der Improvisation über seine „Nuits de St. Germain de Pres“. Traditionspflege erweist sich eben nicht im Verharren, sondern darin, wie die Gaben der Väter für die Söhne erschlossen werden. Für solches steht der heute erwachsene Saitenderwisch Bireli Lagrene, nicht zuletzt in dem seinem Sohn gewidmetem „Timothee“. Lagrene hat längst seinen eigenen Stil gefunden, kultiviert mehr den Ton als das – gleichwohl immer noch atemberaubende – Tempo, kennt den Wert der nicht gespielten Noten. Mit Jermaine Landsberger hat er einen in der Auffassung kongenialen Partner. An einen Standard wie „Night and Day“ tastet sich Landsberger erst langsam suchend heran, schält nach und nach das Thema heraus, sucht nach der Essenz. Dann legt er los, dass die Funken nur so sprühen, in eine halsbrecherische Rallye quer durch die Harmonien. Auch wenn das unverstärkte Piano sich nur schwer durchsetzen kann gegen zwei verstärkte Saiteninstrumente und ein Schlagzeug, bleibt ein hervorragender Eindruck. Davide Petrocca weiß am Bass mit Phantasie, knackiger Frische – und leider reichlich laut – weit über die obligatorische Grundlinienarbeit hinaus Impulse zu setzen und Matthias Gmelin zeigt einmal mehr, warum er als eines der hoffnungsvollsten Talente am Schlagzeug gehandelt wird.