Cassablanka | 09.12.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Manchmal enthält ja das Outfit bereits eine Botschaft. Drei Damen im Abendkleid, sechs Herren mit schwarzem Anzug, weißem Hemd und mit Fliege. Aha, das wird wohl eher ein seriöser Abend werden. Was sich anschließend beim Konzert von Cassablanka im Neuburger Birdland Jazzclub auch bewahrheitet. Wahr ist aber auch: Es wird überdies auch interessanter, musikalisch äußerst beeindruckender Abend mit vielen Überraschungen und der Erkenntnis, dass auch der historische Jazz seine Reize hat, wenn er nur überzeugend dargeboten wird.

Cassablanka, die Band aus Neuburg, die an diesem Abend vor ausverkauftem Haus ein Heimspiel hat, kann man sich auch gut beim Tanztee oder im Kurpavillon vorstellen, diesmal aber steht – man spielt ja schließlich im Birdland – eine Reise durch die Frühzeit des Jazz auf dem Programm. Vom Ragtime zum Dixie zum Swing zum Bebop. Oder: Von den Marching Bands und den Spelunken der Rotlichtbezirke der Metropolen zu den Ballrooms und zum Broadway und von dort ins Blue Note und ins Birdland – dem in der 44. Straße in New York natürlich. Oder auch: Von King Oliver über Louis Armstrong und Duke Ellington zu Charly Parker.

Die Band beginnt als Septett mit Klarinette (Alexander Großnick), Saxofon (Nils Liermann), Trompete (Gerhard Hörmann), Posaune (Christian Rehm), Piano (Brigitte Pettmesser), Kontrabass (Renate Hörmann) und Schlagzeug (Florian Herrle) und widmet sich Stücken wie „The Sheik Of Araby“, „Hello Dolly“ und Armstrong’s „Washington And Lee Swing“. Nils Niermann moderiert den Abend, und als man sich gerade eingerichtet hat mit den Klängen aus den ganz frühen Tagen des Jazz, wird umgestellt auf einen dreistimmigen Saxofonsatz mit Tenor- Bariton- und Peter von der Grün am Altsaxofon, und man hat ab sofort im Grunde eine ganz andere Band vor sich. Die Saxofone geben den Ton an, bestimmen maßgeblich den Sound, treiben an, die Bläserphalanx spielt die professionellen Arrangements Weise absolut auf den Punkt. Es ist schon erstaunlich, welchen Reifungsprozess das Orchester, das jetzt durchaus an eine der legendären Big Bands aus der Goldenen Ära des Jazz erinnert, seit ihrem letzten Konzert an gleicher Stelle durchlaufen hat. Alle Achtung, was man bei Stücken wie Parker’s „Yardbird Suite“, „Perdido“ oder Cole Porter’s „I’ve Got You Under My Skin“ hört, hinterlässt wahrlich Eindruck.

Wobei aber trotzdem weiterhin die Rollenverteilung alter Tage gilt. Farina Mayrshofer kommt als Sängerin nur ab und zu zum Einsatz, die Frontline mit den Bläsern übernimmt alle Soli und die Backline (Schlagzeug, Bass, Klavier) beschäftigt sich ausschließlich mit rhythmischen und begleitenden Aufgaben. Das war seinerzeit häufig so, zudem war Jazz damals ja Tanzmusik, und ein Bass- oder Schlagzeugsolo sind da eher weniger zweckdienlich. – Ja, Cassablanka sind in vielerlei Hinsicht durchaus stilecht, vielleicht mitunter auf charmante Weise absichtlich auch ein klein wenig altmodisch, aber beileibe nicht gestrig. Dass es immer wieder gut tut, die alten Evergreens des Jazz zu hören, steht außer Frage. Um so mehr, wenn sie von einem derart kompetenten Ensemble zu Gehör gebracht werden.